Fluggesellschaften:Lufthansa eröffnet Fusionswelle

Die deutsche Lufthansa startet mit dem Einstieg bei Brussels Airlines die lang erwartete Neuordnung der europäischen Luftfahrt.

Jens Flottau

Die Lufthansa übernimmt die belgische Fluggesellschaft Brussels Airlines. Die beiden Unternehmen gaben die Entscheidung am Montagnachmittag in Brüssel bekannt. Sie hatten die Verhandlungen vor zwei Wochen erstmals offiziell bestätigt. Lufthansa wird zunächst 45 Prozent der Anteile an Brussels Airlines kaufen und hat die Option, das Unternehmen nach zwei Jahren vollständig zu übernehmen.

Fluggesellschaften: Die letzte Gelegenheit für ein weiteres Standbein in Mitteleuropa: Die Lufthansa hat sich Brussels Airlines gesichert.

Die letzte Gelegenheit für ein weiteres Standbein in Mitteleuropa: Die Lufthansa hat sich Brussels Airlines gesichert.

(Foto: Foto: dpa)

Die Konkurrenz wird nachziehen

Damit gelingt der Lufthansa ein erster Schritt in der sich zuspitzenden Konsolidierung in der europäischen Flugbranche. Allgemein erwarten Experten, dass eine erste Übernahme eine Lawine ins Rollen bringen wird, weil sich Konkurrenten dazu gezwungen sehen, zu reagieren. Mit der Entscheidung dürfte es für die Lufthansa-Rivalen Air France-KLM und British Airways ein noch dringlicheres Ziel werden, den Deutschen die ebenfalls zum Verkauf stehenden Allianzpartner Austrian und SAS vor der Nase wegzuschnappen. Für Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber befindet sich der europäische Airline-Sektor in einer "Weichenstellungsphase". In der wegen der hohen Treibstoffpreise schwierigen Lage des Sektors sei man "gemeinsam für die Zukunft besser aufgestellt".

Der 45-Prozent-Anteil an Brussels kostet die Lufthansa zunächst 65 Millionen Euro. Der Konzern plant, die restlichen 55 Prozent im Jahr 2011 zu übernehmen. Der Kaufpreis ist stark abhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der neuen Tochtergesellschaft und kann maximal 250 Millionen Euro betragen. Lufthansa rechnet damit, dass die beiden Fluggesellschaften durch die Integration ab dem dritten Jahr "einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag" jährlich einsparen können. Brussels Airlines soll weiterhin von einem eigenen Management geführt werden und den Unternehmenssitz in Belgien behalten.

"Wir sind davon überzeugt, dass ein modulares System von weitgehend eigenständigen Fluggesellschaften mit ihrer spezifischen Marktdurchdringung das zukunftsweisende Konzept ist", so Mayrhuber. "Auf diese Weise lassen sich Vorteile schaffen, die nur ein Großunternehmen bieten kann, ohne die Vorteile kleinerer und mittlerer Unternehmen zu verlieren." Die Lufthansa wolle Brussels im Konzern ähnlich stellen wie die Swiss. Ironie des Schicksals: Da Swiss-Vorgängerin Swissair 2001 die Finanzhilfen an Brussels-Vorgängerin Sabena eingestellt hatte, war die damalige belgische Staatslinie Pleite gegangen. Sieben Jahre später finden sich die Nachfolgegesellschaften im gleichen Konzernverbund wieder. Bis 2011 muss Belgien die Verkehrsrechte mit jenen Nicht-EU-Ländern neu verhandeln, in die Brussels Airlines fliegt. In den Abkommen muss die Klausel gestrichen werden, die die Rechte an mehrheitlich belgische Eigentümer bindet. Als Lufthansa die Swiss übernommen hat, dauerte der Prozess etwa zwei Jahre.

Letzte Gelegenheit in Mitteleuropa

Brussels ist ursprünglich ein Überbleibsel der 2001 Pleite gegangenen belgischen Staatslinie Sabena. Lokale Investoren bauten damals die Regionaltochter Delta Air Transport zur neuen Fluggesellschaft auf. 2006 fusionierte die damalige SN Brussels mit der Billigfluggesellschaft Virgin Express. Seither hält auch Richard Bransons Virgin-Gruppe einen Anteil von 30 Prozent an Brussels.

Bei Brussels Airlines hat sich die Lufthansa gegen British Airways und die chinesische Hainan Airlines durchgesetzt. Für BA war Brussels neben Austrian eine der beiden letzten Gelegenheiten, in Mitteleuropa ein weiteres Standbein zu bekommen. Brussels Airlines ist mit einigen Mitgliedern der von BA angeführten Oneworld-Allianz verbunden, wird nun aber mittelfristig zur Star Alliance wechseln. Hainan hatte besseren Zugang nach Europa gesucht. Die private Airline unterhält auf dem Papier eine Allianz mit Air Berlin und fliegt neuerdings auch nach Berlin.

Für Lufthansa ist die vergleichsweise kleine Brussels wohl nur ein erster Schritt in einem längeren Übernahmeprozess. Sie gilt als Favorit, den Zuschlag für den 43-Prozent-Staatsanteil an Austrian zu bekommen - voraussichtlich schon im Oktober. Ende voriger Woche hatte zudem SAS SZ-Informationen bestätigt, wonach Management und Anteilseigner einen Verkauf des Unternehmens in Betracht ziehen. Die relative Eigenständigkeit, die Lufthansa der Swiss gewährt, macht sie als neuer Eigentümer für viele kriselnde Anbieter attraktiv.

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