Süddeutsche Zeitung

Fluggesellschaft:Krankmeldungen beuteln Tuifly - Flugbetrieb wird eingestellt

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Immer mehr Krankmeldungen des Kabinenpersonals bringen beim Ferienflieger Tuifly den Flugplan massiv durcheinander. Dutzende Flüge müssen annulliert werden - am Donnerstag würden 47 von 110 Flügen ersatzlos gestrichen, teilte Tuifly mit. Tausende Passagiere mussten auf ihre Verbindungen warten oder ihre Urlaubsreisen zu den Herbstferien gleich ganz abblasen. Am Freitag wird der Flugbetrieb sogar komplett eingestellt: 108 Verbindungen fallen aus.

Um Urlauber aus den Feriengebieten nach Hause zu bringen, habe die Konzernmutter TUI erneut Flugzeuge anderer Airlines gechartert. Kooperationspartner Air Berlin kündigte Sondereinsätze des eigenen Personals an.

Bei der in Hannover ansässigen Fluggesellschaft hatten schon am Montag und Dienstag viele "kurzfristige Krankmeldungen" des Cockpit- und Kabinenpersonals für zahlreiche Verspätungen gesorgt. Am Mittwoch wurden rund ein Viertel der geplanten Flüge gestrichen. Hintergrund vieler Krankmeldungen sind möglicherweise die Sorgen der Mitarbeiter um ihre Zukunft. Am Mittwoch war offiziell bekannt geworden, dass die Touristiksparte von Air Berlin mit Tuifly zusammengelegt werden soll. Darüber wurde bereits seit der vergangenen Woche spekuliert; die Beschäftigten waren aber nicht im Vorfeld informiert. Arbeitnehmervertreter fürchten Job-Verluste und schlechtere Tarifbedingungen. Die Fluggesellschaft teilte hingegen mit, dass den Mitarbeitern "Zugeständnisse" gemacht wurden.

Fluggastrechtler: Krankheitswelle keine höhere Gewalt

Ihre Gäste will die Tuifly nicht entschädigen und beruft sich auf höhere Gewalt, die für die Ausfälle und Verspätungen verantwortlich sei. "Entschädigungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche der Kunden entstehen daraus nicht", teilte Tui Deutschland mit. Eine Sprecherin betonte: "Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt." Ganz anders sieht das Philipp Kadelbach vom Flugrechtsportal Flightright. Tuifly könne sich nicht auf höhere Gewalt berufen. Krankheitswellen zählten zu den normalen Betriebsrisiken, die Airlines zu jeder Zeit einkalkulieren müssten. Dies gelte auch bei Zweifeln, ob tatsächlich eine Krankheit vorliege. Er empfehle allen betroffenen Passagieren, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen.

Die Unternehmen haben nach Einschätzung des Berliner Arbeitsrechtlers Robert von Steinau-Steinrück kaum Möglichkeiten, die Krankmeldungen der Beschäftigten zu hinterfragen oder ihnen gar einen "wilden Streik" zu unterstellen. Es sei sehr schwierig zu beweisen, dass die Beschäftigten die Krankheit nur vortäuschten. Ärztliche Atteste hätten eine hohe Beweiskraft. Falsche Krankmeldungen erfüllen dem Fachanwalt zufolge allerdings den Straftatbestand des Betruges. Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo lehnte jegliche Verantwortung für die massenhaften Krankmeldungen ab. "Das ist definitiv kein Mittel zum Arbeitskampf für uns", sagte Tarifexperte Nicoley Baublies. Man rufe dazu nicht auf und distanziere sich klar von einem Missbrauch.

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