Süddeutsche Zeitung

Fluggesellschaft:Air Berlin muss noch 30.000 Beschwerden abarbeiten

Air Berlin hat mit einem Rückgang der Fluggäste und Verlusten in Millionenhöhe zu kämpfen - jetzt kommt ein großes Problem hinzu: 30.000 Anfragen von Kunden, die noch nicht gelöst werden konnten. Um die abzuarbeiten, greift die Airline zu einem ungewöhnlichen Mittel.

Die angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin schiebt einen riesigen Berg unbeantworteter Kundenanfragen vor sich her. Nach Informationen der Tageszeitung Welt umfasst der Rückstau momentan etwa 30.000 Vorgänge. Kunden müssten mehr als acht Monate auf die Bearbeitung ihrer Anliegen warten, heißt es.

Die Kundenservice-Abteilung mit ihren 80 Mitarbeitern sei dramatisch überlastet und schließe daher teilweise ältere Fälle ohne eine Antwort. Da die Mitarbeiter mit täglich neuen Anfragen beschäftigt sind, hält sich der Rückstau allerdings hartnäckig. Schätzungen zufolge würde die Abteilung mindestens zwei Monate brauchen, um die alten Anfragen vollständig abzuarbeiten. Eine Anhäufung der Kundenanfragen wird branchintern "Backlog" genannt. Das Ausmaß im Service-Center von Air Berlin gilt unter Experten als sehr ungewöhnlich. Heike Simmet, Professorin für Marketing und Expertin für Kundenservice, sagte der Welt: "Ein Rückstau in dieser Größenordnung ist für die Kunden völlig unzumutbar."

An eine Aufstockung der Anzahl der Service-Mitarbeiter ist allerdings erstmal wohl nicht zu denken. 400 Millionen Euro will der neue Air-Berlin-Vorstandschef Wolfgang Prock-Schauer bis 2014 einsparen, nachdem der Konzern nach dem ersten Quartal vermelden musste, dass die Anzahl der Fluggäste um 9,1 Prozent auf 5,9 Millionen zurückgegangen sind.

Für Air Berlin hat sich die Lage jedoch bereits entspannt. Noch im Herbst vergangenen Jahres habe der Rückstau bei 65.000 zu bearbeitenden Anliegen gelegen. Die Halbierung des Backlogs verdanken die Service-Mitarbeiter einem einfachen Trick: Mehrfach seien in einer Sammel-Email Tausende Einzelbeschwerden ähnlichen Inhalts zusammengefasst und den Kunden pauschale Angebote unterbreitet worden - unabhängig davon wie hoch ihr Anspruch tatsächlich war.

Ein Beispiel: 5000 Fluggäste, deren Beschwerde intern in der Kategorie "Gepäck" verzeichnet war, konnten zwischen 75 Euro Bargeld, 120 Euro Fluggutschein oder 10.000 Prämienmeilen wählen. Kosten für diese und andere Sammel-Emails summierten sich nach Informationen der Welt auf mindestens 750.000 Euro.

Die Hälfte aller angeschriebenen Kunden würden das Angebot annehmen, die anderen drohten mit rechtlichen Schritten, hieß es. Eine Air-Berlin-Sprecherin bestätigte in der Welt den hohen Rückstau und die pauschalen Befriedungsangebote, widersprach aber der Information, wonach Kundenanfragen ohne Bearbeitung geschlossen worden seien.

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