Süddeutsche Zeitung

Flugbranche:Verhärtete Fronten

Die Pilotenvereinigung Cockpit lehnt den Tarifvertrag mit Eurowings ab und rät den Piloten der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin ab, sich bei Eurowings zu bewerben. Das Unternehmen ist die Billigsparte der Lufthansa, die Gehälter sind dort niedriger.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sperrt sich gegen die Expansion der Düsseldorfer Lufthansa-Tochter Eurowings GmbH. Die VC teilte am Montag mit, sie lehne die Einigung auf einen neuen Tarifvertrag "aus verbandsübergeordneten Gründen" ab. Lufthansa solle sich ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den ehemaligen Air-Berlin-Mitarbeitern gerecht werden und wettbewerbsgerechte Bezahlung anbieten. VC rät den Piloten ab, sich bei Eurowings zu bewerben.

Die Eurowings GmbH ist ein Teil der gleichnamigen Lufthansa-Billigsparte, die sich aus mehreren weiteren Flugbetrieben zusammensetzt. Gemäß des aktuell gültigen Tarifvertrages darf das Düsseldorfer Unternehmen nicht mehr als 23 Flugzeuge betreiben, ohne dass die VC dies ausdrücklich erlaubt. Die Gewerkschaft hatte eine Ausweitung der Flotte in Aussicht gestellt, wollte im Gegenzug aber deutlich bessere Tarifbedingungen durchsetzen.

Die VC hatte sich zunächst mit Eurowings auf den sogenannten "Tarifvertrag Wachstum" geeinigt. Dieser sollte am Montag im Gewerkschaftsvorstand auch formal abgesegnet werden, fiel aber nun doch aber überraschend durch. Das Hin und Her macht deutlich, dass innerhalb der VC keine Einigkeit darüber herrscht, wie man mit Eurowings umgehen soll. Die Entscheidung der Gewerkschaft verhindert den Ausbau der Eurowings-Sparte nicht, macht sie aber schwieriger, denn das Wachstum muss nun in den anderen Flugbetrieben stattfinden, von denen mit der Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) nur ein weiterer in Deutschland angesiedelt ist. Zu Eurowings gehören auch die Lufthansa-Tochter Germanwings, die wegen der hohen Kosten in den kommenden Jahren abgewickelt werden soll, der Wiener Ableger Eurowings Europe sowie Sun Express, die für die Gruppe die Langstreckenflüge durchführt. Sobald die Europäische Kommission die wettbewerbsrechtliche Genehmigung erteilt, sollen auch die ehemaligen Air Berlin-Töchter Niki und die LGW dazustoßen. Im Winter sollen weitere externe Anbieter mögliche Lücken im Flugplan schließen.

"Es darf nicht sein, dass ein Fast-Monopolist im deutschen Pilotenmarkt wie die zum Lufthansa-Konzern gehörende Eurowings ihre Position eiskalt ausnutzt, um einen Betriebsübergang zu umgehen", so VC-Vorstand Jörg Handwerg. Eurowings übernimmt zwar ehemalige Air-Berlin-Besatzungen, die durch die Pleite ihren Arbeitsplatz verloren haben, aber nur zu den eigenen Bedingungen. Diese liegen laut Eurowings acht bis zehn Prozent unter Air-Berlin-Niveau. Die VC behauptet, der wahre Unterschied liege bei 40 Prozent, allerdings bezieht sich dies auf die relativ wenigen, aber hoch bezahlten ehemaligen LTU-Piloten, die von Düsseldorf aus für Air Berlin die Langstrecken geflogen sind.

Eurowings will ihren Wiener Ableger Eurowings Europe stark wachsen lassen, vor allem, wenn die Eurowings GmbH nun ausfällt. In einem offenen Brief haben Eurowings Europe-Mitarbeiter zuletzt die Arbeitsbedingungen harsch kritisiert. Es gebe bei einigen Standorten massive Lohnausfälle bei Krankheiten, die Besatzungen erhielten kein garantiertes Grundgehalt. Zudem gebe es keinen für alle gültigen Tarifvertrag, sondern sehr unterschiedliche Einzelarbeitsverträge. Eurowings behauptet, die Bezahlung bei der Wiener Tochter sei identisch mit der der deutschen.

Die Fronten sind derzeit verhärtet. Beide Seiten können sich nicht mal darauf einigen, wie viele ehemalige Air Berlin-Piloten sich nun bei Eurowings beworben haben. Die VC behauptet, es handle sich nur um eine kleine zweistellige Zahl, Eurowings spricht von rund 300.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2017
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