Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Wehe, wenn das Flugchaos kommt

  • Am Donnerstag trifft sich die Luftfahrt-Branche mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres zum Luftfahrtgipfel.
  • Dort soll besprochen werden, wie sich ein Flug-Chaos wie im vergangenen Sommer verhindern lässt.
  • Die Vorzeichen sind allerdings schlecht: Softwarepannen, fehlendes Sicherheitspersonal und Kapazitätsprobleme bei den Airlines sorgen schon jetzt für Probleme.

Von Jens Flottau

Zuletzt hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) Airlines und Flughäfen auch noch mit einer Software-Panne in Rage gebracht. Ein Update, das in der vergangenen Woche für ein zentrales System aufgespielt wurde, hat sich dem Vernehmen nach als unzuverlässig erwiesen. Der Weg zurück zum funktionierenden alten Standard erwies sich als nicht gangbar. Nun sollte in der Nacht auf Donnerstag ein weiteres Update die Probleme lösen. Doch in den vergangenen Tagen hat die DFS die Kapazität an wichtigen Flughäfen wie Frankfurt um 25 Prozent reduzieren müssen.

Fühlt sich an wie ein Vorgeschmack auf den nächsten Sommer und ist aus Sicht der Flugsicherung auch noch ein äußerst unglückliches Timing. Denn am Donnerstag trifft sich die Branche mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres zum Luftfahrtgipfel. Dabei werden die Beteiligten vortragen, was sie alles getan haben, um zu verhindern, dass der Sommer 2019 nicht ähnlich chaotisch verläuft wie der des Jahres 2018, als Zehntausende Flüge gestrichen werden mussten und die Verspätungsraten in die Höhe schnellten. Mittlerweile hat sich herauskristallisiert, dass allenfalls mit etwas weniger Verspätungen zu rechnen ist. Das Chaos dürfte sich in großen Teilen wiederholen.

Drei wesentliche Effekte haben den vergangenen Sommer zu einer Qual für Flugpassagiere gemacht. Nach der Pleite von Air Berlin hatten die Fluggesellschaften, die Teile des einstigen Konkurrenten auffingen, größte Mühe, Flotte und Personal zu integrieren. Allen voran gilt dies für Eurowings. Der zweite Faktor waren die mühsamen Sicherheitskontrollen an den Flughäfen, die zwar insgesamt kaum eine Rolle bei den Verspätungen gespielt haben, aber das schlechte Bild vervollständigten. Die größten Sorgen bereitete die Flugsicherung, die in einigen Kontrollzentralen den Verkehr nicht mehr abwickeln konnte.

Das Air-Berlin-Problem ist, so versichern die Airlines, mittlerweile gelöst. Die Flughäfen bemühen sich um schnellere Sicherheitskontrollen. Frankfurt etwa baut eine Behelfshalle mit mehr Schleusen, in München müssen Passagiere an einer Teststation die Laptops und Flüssigkeiten nicht mehr auspacken. Weil die DFS für die vergangenen Jahre ein zu geringes Wachstum angesetzt hat, fehlen Lotsen. Schnell ist Nachwuchs nicht zu bekommen, und weil viele ältere Mitarbeiter nun in Pension gehen, hat die DFS in diesem Jahr eher noch weniger Lotsen in den Kontrollzentralen zur Verfügung. Kurzfristig sollen nun Überstunden das Schlimmste verhindern.

Doch laut Markus Siebers, Vorstand Tarif und Recht der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF), haben die Gespräche gerade erst begonnen. Die DFS kommentiert die Gespräche nicht. Sollte es eine Einigung geben, könnte die erst ab Juni wirken. Aber Siebers dämpft die Erwartungen: "Sie wird das Debakel nicht verhindern. Es wird vielleicht ein bisschen weniger schlimm."

Die Branche hat DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle "ermuntert", Gespräche mit den Fluglotsen zu führen. Matthias von Randow, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), muss sich so diplomatisch ausdrücken, weil er ja Fluggesellschaften, Flughäfen und die Flugsicherung vertritt. In Wahrheit aber steht Scheurle unter massivem sozialen Druck seiner Kollegen, sich endlich mit den Lotsen auf eine Überstundenregelung zu einigen.

Die Gewerkschaft fordert eine langfristige Perspektive bei der Personalplanung

Doch die GdF stellt Bedingungen. Sie fordert von der DFS "eine langfristige Perspektive bei der Personalplanung." Sprich: Sie will Garantien, dass für die nächsten sieben oder acht Jahre "auf hohem Niveau" neue Lotsen ausgebildet werden. Angeblich fordern die sowieso gut bezahlten Lotsen auch Zuschläge von 300 Prozent für die Überstunden - eine Zahl, die weder die DFS noch die GdF bestätigen. Doch mehrere hochrangige Akteure bei Flughäfen und Fluggesellschaften haben DFS-Chef Scheurle deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Mehrkosten (angeblich elf Millionen Euro) für sehr gut investiertes Geld halten. Alleine die Lufthansa kosteten die Flugausfälle und Verspätungen im vergangenen Jahr 518 Millionen Euro.

Siebers zufolge allerdings würden die Überstunden nicht besonders viel bringen. Die Arbeitszeitregeln der DFS sehen sowieso schon vor, dass die Lotsen im Winter überdurchschnittlich viel Urlaub machen können, damit sie im Sommer mehr arbeiten können. Sie können also darüber hinaus nur sehr eingeschränkt Überstunden schieben, sonst würden sie gegen die vorgeschriebenen Ruhezeiten verstoßen. Daher lenkt die europäische Flugsicherungsbehörde Eurocontrol täglich Hunderte Flüge um die besonders überlasteten Sektoren Karlsruhe und Maastricht herum, für innerdeutsche Flüge gelten Höhenlimits. Mit der Forderung, für den Luftraum Kapazitätsbeschränkungen einzuführen, biss Lufthansa aber auf Granit.

Die Airlines rüsten sich, so gut es geht, für den sommerlichen Ansturm. Lufthansa hat gruppenweit das Kapazitätswachstum für den Sommer auf 1,9 Prozent gegenüber der ursprünglichen Planung fast halbiert. 2018 hatte der Konzern 15 Reserveflugzeuge an wichtigen Stationen verteilt, in diesem Jahr werden es 37 sein. Bei kritischen Flügen sind die sogenannten Blockzeiten um bis zu 15 Minuten verlängert, um mehr Luft im Flugplan zu lassen.

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SZ vom 28.03.2019/vd
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