Flüchtlingspolitik:Sie wollen arbeiten

Flüchtlinge auf Arbeitssuche

Die Berliner Kampagne Arrivo fördert Flüchtlinge mit einem Übungswerkstätten-Parkour.

(Foto: Britta Pedersen /dpa)

Die Rechtslage macht es jungen Flüchtlingen schwer: Das Ausländeramt kann eine Ausbildung gestatten und die Aufnahme einer Arbeit ermöglichen, muss aber nicht.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Eigentlich scheinen sich alle einig zu sein. Man müsse mehr tun, damit Menschen, die auf der Flucht vor Krieg nach Deutschland kommen und hier länger oder für immer bleiben, sich "zügig in den Arbeitsmarkt integrieren können", verlangt der Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), fordert, dass "Asylbewerber mit Bleibeperspektive und Geduldete, die hier eine Ausbildung beginnen, diese auch abschließen dürfen ohne Sorge vor Abschiebung". Und auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagt, nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung müsse jeder Flüchtling "dauerhaft in Deutschland bleiben können". Die Realität sieht jedoch häufig anders aus.

Ende 2014 lebten in Deutschland mehr als 113 000 sogenannte "Geduldete". Meist wurde ihr Asylantrag abgelehnt, abgeschoben wurden sie trotzdem nicht. Die Duldung wird oft nur für kurze Zeit erteilt. Häufig kommt es zu "Kettenduldungen". Ende vergangenen Jahres lebten 530 000 Menschen nach einem abgelehnten Asylantrag in Deutschland. 38 Prozent dürfen sich hier befristet aufhalten, weitere 15 Prozent sind ausreisepflichtig, aber geduldet.

Wie es ihnen im Alltag ergeht, hängt von der Ausländerbehörde - und damit oft vom Wohnort ab. Das Amt kann den Aufenthalt für eine komplette Ausbildung gestatten und danach die Aufnahme einer Arbeit ermöglichen, muss aber nicht. Faktisch geschieht dies meist nicht, wie die Klagen der Wirtschaftsverbände nahelegen. "Die aktuelle Praxis sieht so aus, dass die Ausländerbehörden in der Regel die Aufenthaltserlaubnis für diese Jugendlichen nur für drei oder sechs Monate erteilen und die Jugendlichen dann regelmäßig um eine Verlängerung bitten müssen - mit der Ungewissheit, abgeschoben zu werden", kritisiert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kerstin Andreae. Das schrecke auch die Arbeitgeber ab. "Welcher Handwerker nimmt denn gern einen Auszubildenden an, wenn er damit rechnen muss, dass dieser abgeschoben wird?" Es sei grotesk, dass hoch motivierte junge Menschen von der Berufsausbildung ausgeschlossen bleiben, währen die Unternehmen teilweise händeringend nach Azubis und Fachkräften suchten.

Die Grünen fordern deshalb genauso wie die Wirtschaftsverbände oder der Bundesrat für Asylsuchende und Geduldete eine gesicherte Aufenthaltserlaubnis während der Ausbildung. Danach müsse es die Möglichkeit geben, weiter hier zu bleiben, um eine Arbeit anzunehmen. Dies sollte die Bundesregierung noch in das geplante Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts aufnehmen. In einem Bericht des Wirtschaftsministeriums heißt es dazu nur: Es werde geprüft, "ob ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht". Die Bundesregierung hatte bisher zugesichert, dass der Bund seine Hilfe für die Versorgung von Asylbewerbern 2015 auf eine Milliarde Euro verdoppeln will. Für 2015 wird mit 450 000 Asylanträgen gerechnet.

Knapp sind derzeit vor allem die Mittel für den Deutschunterricht. Die Grünen fordern, mehr Geld für berufsbezogene Deutschkurse zu mobilisieren. Bei der Sprachförderung sieht auch Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, den größten Engpass. "Die notwendige finanzielle Ausstattung für Deutschkurse ist bei weitem nicht ausreichend", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Er wünscht sich auch, dass junge Flüchtlinge "vom ersten Tag der Lehre auch Zugang zur Ausbildungsförderung, wie zum Beispiel Nachhilfeunterricht, bekommen könnten. Das geht derzeit erst mit einer langen Wartezeit".

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