Flottenversicherung:Wenn es kracht, wird es teuer

Flottenversicherung: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Neue Technik kann Verkehrsunfällen vorbeugen, aber auch die Mitarbeiter ausspionieren. Eine rein digitale Flottenpolice halten Experten derzeit aber noch nicht für sinnvoll.

Von Kaja Adchayan

Hier die Vorfahrt genommen, da ein Auto touchiert, in der zweiten Reihe geparkt als Normalfall - Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) verhalten sich nicht gerade zimperlich, wenn sie in der Stadt unterwegs sind. Sie haben es aber auch nicht leicht. Der permanente Zeitdruck sorgt dafür, dass die Fahrer nachlässiger werden und vermehrt Unfälle bauen. Das merken auch die Versicherer der Fahrzeugflotten. KEP sind nach wie vor die größten Kostentreiber in der Flottenversicherung.

Bei manchen gehören Fahrerschulungen zum Risikomanagement

Das Geschäft mit der Versicherung großer Fahrzeugflotten macht Risikoträgern derzeit wenig Spaß. Immer noch müssen sie pro eingenommenen Prämieneuro draufzahlen, weil Schäden und Kosten zusammen höher sind. 2018 waren es vier Cent, das Jahr davor knapp fünf und davor sechs. Immerhin, die Schaden- und Kostenquote sinkt - wenn auch nur geringfügig. Was tun, wenn es nach mehr als einem Jahrzehnt in den roten Zahlen immer noch nicht läuft? Während die Anbieter im privaten Kfz-Bereich kräftig in digitale Lösungen investieren, sieht es in der Flottenversicherung eher mau aus.

Unterdurchschnittliche Prämien stehen überdurchschnittlichen Schadenaufwendungen gegenüber und tragen zum anhaltenden Minusgeschäft in der Flottenversicherung bei. Die Preise lassen sich anders als im privaten Kfz-Bereich nicht an den jeweiligen Fahrer anpassen, sondern sind vom Schadenverlauf der Flotte abhängig. Gibt es viele Unfälle, also eine Schadenquote von mehr als 70 Prozent, steigen die Preise an. Ist der Schadenverlauf positiv, gibt es Prämienreduzierungen, erklärt Denis Gommel, Experte für die Absicherung von Kfz-Flotten beim Versicherungsmakler Aon. "Insgesamt wird sich das Prämienniveau in der Flottenversicherung aber solange erhöhen, bis der Markt schwarze Zahlen schreibt", sagt Gommel.

Daran können auch Assistenzsysteme wie Park- und Spurhalteassistenten wenig ändern - denn wenn es mal kracht, wird es teuer. In der Vollkaskoversicherung seien die Kosten sogar spürbar gestiegen, da die bei einem Unfall betroffenen Stellen vorne und hinten am Auto inzwischen immer öfter mit technischen Helfern ausgestattet sind, erklärt Harald Seliger, Leiter Kraftfahrt Betrieb bei R+V. "Auf der anderen Seite sehen wir aber auch eine Abnahme der Schadenhäufigkeit, weil die Systeme ja eigentlich die Schäden verkleinern oder bestenfalls komplett verhindern sollen." Seinen Höhepunkt werde diese Entwicklung im Jahr 2035 erreichen, schätzt der Makler Aon. Spätestens dann werde es auch eine starke Marktdurchdringung mit automatisierten Fahrzeugen geben.

Betriebsräte haben Bedenken, was den Datenschutz angeht

Das Risikomanagement ist das A und O in der Flottenversicherung. R+V-Experte Seliger sieht deshalb die Zukunft in unfallvorbeugenden Assistenzsystemen, die sich bestenfalls auch nicht mehr abschalten lassen sollen. In einem aktuellen Pilotprojekt testet der Versicherer gemeinsam mit einem großen Lkw-Hersteller Abbiegeassistenten. Im Gegenzug profitiert der Kunde von einem Prämiennachlass. Den Ansatz will er weiter ausbauen. Aber auch an altbewährten Mitteln hält R+V fest. So zählt der Versicherer immer noch Fahrerschulungen zu seinen Risikomanagement-Lösungen. Ein Instrument, das nicht jeder für sinnvoll erachtet. Michael Seidl hält von Schulungen für Fahrer wenig. Der Experte arbeitet bei der DMW Assekuranz und ist dort für den Versicherungseinkauf des Autozulieferers Dräxlmaier verantwortlich. Seine zu betreuende Dienstwagenflotte weist eine deutlich erhöhte Schadenquote auf, auch Fahrerschulungen wurden deshalb in Erwägung gezogen, dann aber schnell verworfen. "Unser Betriebsrat hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Vergabe eines Fahrertrainings an einen Mitarbeiter vielleicht als eine Art Belohnung gesehen werden kann", erklärt Seidl. "Unfallfreie Mitarbeiter könnten sich fragen, warum das Unternehmen den schlecht fahrenden Kollegen in Form von bezahlten Fahrerschulungen belohnt." Deshalb hält Seidl den Einsatz von Telematik für sinnvoller. Mit der Technik ließen sich Schadensituationen auswerten und Rückschlüsse auf gefährliche Situationen ziehen, für die Fahrer anschließend sensibilisiert werden könnten, erklärt Seidl.

Die bereits auf dem Markt existierenden Telematik-Angebote müssten für den Einsatz im Flottenbereich weiterentwickelt werden. Vor allem Betriebsräte haben Zweifel, wenn sie von der neuen Technik hören. Sie sehen datenschutzrechtliche Probleme in dem Konzept, da auch private Fahrten mit dem Dienstwagen aufgezeichnet werden könnten. Das ist etwas, was Versicherer berücksichtigen sollten, wenn sie mit neuen technischen Lösungen an ihre Kunden herantreten, meint Seidl. Aon-Experte Gommel sieht die gesamte Entwicklung noch in den Kinderschuhen. Telematik gebe es zwar schon in der privaten Kfz-Versicherung, aber im Flottenbereich spiele sie noch eine untergeordnete Rolle. "Die Marktdurchdringung von Telematik-Tarifen für die gesamte Kfz-Versicherung liegt gerade mal bei 0,5 Prozent", erklärt Gommel.

Der Digitalisierung werden aber auch Grenzen gesetzt. So kann sich keiner der Experten zurzeit vorstellen, Flottenpolicen vollkommen digital anzubieten oder abzuschließen. Seidl hält an dem persönlichen Kontakt mit dem Versicherer fest, um nicht nur eine Nummer, sondern eine Person mit einem Gesicht zu sein.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: