Fliegen:Flucht nach vorn

Die Luftfahrt-Branche reagiert auf die Kritik von Klimaaktivisten und formuliert nun eigene Ziele für CO2-Emmissionen.

Von Ekaterina Kel, Berlin

Immerzu werden sie kritisiert - nun wollen die Fluggesellschaften selbst mitreden. Diese Botschaft steckt hinter der Ankündigung des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrsgesellschaft (BDL), das Klima selbst schützen zu wollen. "Wir wollen erreichen, dass die luftverkehrsbedingten CO₂-Emissionen auf null sinken", heißt es in einer Erklärung des BDL vom Freitag. Zuvor hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber berichtet.

Damit künftig CO₂-neutral geflogen werden kann, müsste Kerosin durch regenerative Kraftstoffe ersetzt werden, heißt es weiter in der Erklärung. Der Branchenverband setzt auf das sogenannte Power-to-Liquid-Verfahren, das strombasierten Kraftstoff herstellt und dafür CO₂ aus der Luft entnimmt. Man sei bereit, sich bei Pilotprojekten zum Aufbau industrieller Anlagen zur Herstellung dieses innovativen Kraftstoffs zu beteiligen. Denn: "Klimaschutz geht uns alle an und wir müssen handeln, nachhaltig und wirkungsvoll." Bis wann der BDL CO₂-Neutralität erreichen will, steht in der Erklärung nicht. Man habe 2030 als "wichtiges Zieldatum" zwar im Blick, ob das ambitionierte Vorhaben bis dahin aber realisiert werden kann, hänge von der Politik in Deutschland und in der EU ab, sagte ein BDL-Sprecher am Freitag auf Nachfrage. Entsprechend ist auch der Ton in der Presseerklärung: "Das BDL-Präsidium fordert eine gemeinsame industriepolitische Initiative der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, um die Voraussetzungen für ein hinreichendes Angebot von Produktionsanlagen und Kraftstoffen zu schaffen." Soll heißen: Die Fluggesellschaften sehen die Politik in der Pflicht.

Nur schwebt der Branche eine andere Politik vor als den Klimaaktivisten von "Fridays for Future". Während letztere nämlich auf eine drastische CO₂-Steuer setzen, warnt der BDL vor "klimapolitischen Regulierungen durch nationale Steuern, Abgaben oder Verbote". Diese seien ökologisch und ökonomisch sogar kontraproduktiv, warnt der BDL und verweist auf die Konkurrenz im Ausland, auf die Kunden dann ausweichen würden - "zu Lasten der Heimatindustrie". Der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch sagte weiter, dass sein Verband grundsätzlich "wirkungsvollen Klimaschutzinstrumenten" positiv gegenüber stehe. Sie dürfen aber "keine Wettbewerbsnachteile verursachen", so Lösch. Man müsse erst für "gleichwertige und preiswerte Alternativen" sorgen.

Vor zwei Wochen machte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) einen Vorstoß in Sachen Verteuerung: Sie schlug vor, die deutsche Luftverkehrsabgabe, die der Bund seit 2010 erhebt, zu erhöhen. Im September will das Klimakabinett konkrete Ziele zum deutschen Klimaschutz bekannt geben, es spricht einiges dafür, dass auch eine höhere Abgabe für Flüge Teil des Pakets sein wird.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Erklärung des BDL zu verstehen. Anstatt sich bevormunden zu lassen, will die Branche selbst mitreden. Der Staat nehme derzeit 1,2 Milliarden Euro Luftverkehrsteuer ein, die gezielt für klimapolitische Zwecke im Luftverkehr eingesetzt werden könnten. Bisher geschehe das nicht. "Wir schlagen vor, dass die Bundesregierung die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer zugunsten der Markteinführung regenerativer Kraftstoffe verwendet", heißt es. Frankreich hat vor etwa einem Monat eine Öko-Steuer auf Flugtickets erhoben, deren Einnahmen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zugute kommen sollen.

Gegen die Kompensation von Flügen etwa durch Aufforstungen hat der BDL indes nichts einzuwenden. Solche Angebote sollen künftig in den Buchungsprozess integriert werden. Außerdem müsse der europäische Luftraum vereinheitlicht werden: Bis zu zehn Prozent der Emissionen ließen sich sparen, würden unnötige Umwege vermieden, heißt es. Zudem wollen die Flughäfen ihre Emissionen bis 2030 um die Hälfte senken, durch energieeffiziente Gebäude und strombetriebene Fahrzeuge. Bis 2050 sollen Flughäfen vollständig CO₂-neutral sein.

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