Fleischskandal:Amtliches Versagen

Hessens Regierung räumt Fehler ein: der Wursthersteller Wilke wurde zu lasch kontrolliert. Doch der nun vorgelegte Bericht, lässt viele Fragen offen. Jetzt sind Gerichte am Drücker.

Von Silvia Liebrich

Wursthersteller Wilke

Der Wursthersteller Wilke wurde im Oktober von den Behörden geschlossen, nun beschäftigt der Fall Politik und Justiz.

(Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Im Listerienskandal um den hessischen Wursthersteller Wilke hat das zuständige Ministerium ein Versagen der zuständigen Behörden eingeräumt. Das zeigt der Abschlussbericht, den Hessens Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne) am Montag vorlegte. Demnach wurde der Hersteller im Landkreis Waldeck-Frankenberg unter anderem gar nicht oder nicht häufig genug überwacht.

Eigentlich hätte der Betrieb entsprechend seiner Risikoeinstufung zwölf Mal im Jahr kontrolliert werden müssen, heißt es in dem Bericht. "Aufgrund eines Fehlers des Landkreises ist die Firma Wilke auf ein dreimonatiges Kontrollintervall herabgesetzt worden." Ob der Hersteller über ein funktionierendes Eigenkontrollsystem verfügt, wurde von den Behörden im Zeitraum von 2015 bis 2018 offenbar überhaupt nicht geprüft. In Zukunft sollen deshalb Turnus und Umfang solcher Eigenkontrollen genau vorgegeben werden.

In Wilke-Produkten waren wiederholt Listerienkeime nachgewiesen worden, die bei geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein können. Drei Todes- und 37 Krankheitsfälle werden mit dem Hersteller in Verbindung gebracht. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt unter anderem wegen fahrlässiger Tötung gegen den früheren Geschäftsführer.

Defizite stellt der Bericht auch im Meldesystem fest. Als besonders problematisch wird die unzureichende Information an das zuständige Regierungspräsidium Kassels eingestuft. "Dies ist im Fall Wilke versäumt worden", heißt es weiter.

Die Umweltministerin betonte, dass auch Wilke seine Verpflichtungen nicht erfüllt habe. "Es muss eher davon ausgegangen werden, dass mit krimineller Energie gearbeitet wurde. Daher ist es richtig, dass die Verantwortung des Unternehmens jetzt von der Staatsanwaltschaft geprüft wird, der wir jederzeit die volle Unterstützung anbieten", so Hinz.

Künftig sollen nun nach Angaben der Ministerin Kontrollen sowie die Meldepflicht für Missstände verschärft werden. Zudem will sie die Befugnisse der übergeordneten Behörden gegenüber den örtlichen Ämtern stärken. Außerdem sollen elf neue Stellen geschaffen werden, um Kontrollbehörden und Fachaufsicht in Ministerin zu stärken. Bei der Lebensmittelherstellung sei die Überwachung das Sicherheitsnetz, sagte Hinz. Dieses gelte es konsequent zu stärken, "damit auch vorsätzliche Täuschungsversuche und kriminelle Energien nicht dazu führen können, dass das Sicherheitsnetz reißt."

Zugleich setzt die Ministerin auf Technik. Künftig soll das Verfahren der Gesamtgenomanalyse stärker genutzt werden. Die so gewonnenen Daten sollen den Angaben zufolge in eine bundesweite zentrale Datenbank eingespeist werden. Das Verfahren dient dazu, bei Krankheitsfällen die genaue Ursache festzustellen. Bringt ein Hersteller verdorbene Ware in Umlauf, könnte er so besser identifiziert werden.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch erneuerte ihre Kritik an den hessischen Behörden. "Die Aufarbeitung des Wilke-Skandals ist alles andere als abgeschlossen", sagte Geschäftsführer Martin Rücker. Er fordert eine Offenlegung aller relevanten Berichte, damit sich die Öffentlichkeit selbst ein Bild machen könne. Laut Foodwatch hat der Fall Wilke einmal mehr die Schwachstellen des Kontrollsystems für Lebensmittel und der gesetzlichen Grundlagen gezeigt. Keine der von Hinz vorgelegten Schritte behebe die Probleme.

Auch für die Gerichte ist der Fall Wilke längst nicht erledigt. Derzeit prüft die Staatsanwaltschaft Kassel, wie viele Krankheits- und Todesfälle mit listerienbelasteter Wurst tatsächlich dem hessischen Wursthersteller zugeordnet werden können. Bekannt ist, dass die lokalen Behörden bereits 2013 auf Probleme bei Wilke aufmerksam wurden, damals wurde salmonellenbelastete Salami beanstandet. Als die Behörden den Betrieb schließlich Anfang Oktober 2019 schlossen, begründeten sie dies mit erschreckenden Hygienezuständen. Die Mängelliste war lang, unter anderem wurde über Verwesungsgeruch, Mäusekot und Fliegenbefall in der Produktion berichtet.

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