Corona-Pandemie:Schlachter müssen warten

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Am Futtertrog: Noch nehmen große Schlachtbetriebe im Westen Tiere an. (Foto: Patrick Pleul/picture alliance)

Die NRW-Fleischindustrie meldet viele Infizierte, manche Betriebe fahren herunter. Das Land signalisiert: Wenn sich die Lage zuspitzt, könnten Kontaktpersonen künftig trotz Quarantäne arbeiten.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Mehr als 133 000 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages in Deutschland - dieser Rekord beunruhigt nicht nur Politik und Gesundheitswesen, sondern auch mehr und mehr Unternehmen, deren Beschäftigte positiv getestet oder als Kontaktperson in Quarantäne sind. Über Personalmangel klagen nun vor allem Firmen, deren Belegschaft nicht von zuhause aus arbeiten kann. Aktuell etwa die Fleischindustrie, die nach großen Ausbrüchen bei Unternehmen wie Tönnies oder Westfleisch ohnehin im Blickpunkt steht.

Mittlerweile gelten für die Branche in Nordrhein-Westfalen, wo sie mit mehreren großen Betrieben vertreten ist, vergleichsweise strenge Regeln. So müssen in Werksstandorten mit mehr als 100 Beschäftigten derzeit alle Mitarbeiter mindestens einmal pro Woche getestet werden - auch geimpfte, genesene und geboosterte.

Das bleibt nicht ohne Effekt: In den ersten beiden Wochen dieses Jahres hätten die Tests "eine hohe Dunkelziffer von Corona-Virusträgern" zutage gefördert, teilt der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) mit, "die aber keine Krankheitssymptome haben". Sprich: In einigen Fabriken fallen nun viele positiv getestete Beschäftigte aus, teilweise samt Kontaktpersonen. "In der Folge können diese Betriebe ihre Kapazität lediglich zu 50 Prozent auslasten", sagt Hauptgeschäftsführerin Heike Harstick, "und entsprechend weniger Tiere zur Schlachtung annehmen." Harstick befürchtet, dass die Zahl positiver Tests noch "stark zunehmen" könnte, da das Ansteckungsrisiko ja allgemein gestiegen ist.

Gleichwohl fordert die Fleischindustrie, dass das Land seine vergleichsweise strengen Testregeln auslaufen lassen sollte. "Sollte hier keine Änderung der Rechtslage in NRW geschaffen werden, drohen Versorgungsengpässe und Tierschutzprobleme in den landwirtschaftlichen Betrieben", mahnt Harstick.

Noch gibt es keinen "Schweinestau", heißt es bei Landwirten

Bislang gebe es zwar noch keinen sogenannten Schweinestau, heißt es vom Landwirtschaftsverband in Westfalen-Lippe (WLV), einer Region mit ausgesprochen vielen Schweinehaltern. Doch mittlerweile werde nur noch mit 60 bis 70 Prozent der Kapazität geschlachtet, sagt WLV-Präsident Hubertus Beringmeier - nicht ohne Sorge vor den kommenden Wochen. Auch die Versorgung mit Frischfleisch sei bisher "nicht gefährdet", teilt das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium mit.

Das Arbeits- und Gesundheitsministerium will die Testregelung daher "bis auf weiteres" verlängern, wie es auf Anfrage mitteilt. "Das Motto 'Was ich nicht weiß...' kann kein Grundsatz der Pandemiebekämpfung sein", so das Haus von CDU-Mann Karl-Josef Laumann. Es sei keine Lösung, wegzuschauen, um auf weitere Maßnahmen verzichten zu können. Und jede unerkannte Infektion könne zu noch größeren Ausbrüchen führen.

Zudem appelliert das Ministerium an Betriebe und Kommunen, dass sie den Impfstatus der Belegschaft in der Fleischindustrie verbessern sollten. Wenn mehr Beschäftigte frisch geimpft, genesen oder eben geboostert wären, würde dies gewisse Quarantäne-Pflichten von Kontaktpersonen "bereits im Ansatz vermeiden". Tatsächlich wohnen viele Mitarbeiter großer Schlachtbetriebe in gemeinsamen Wohnungen; so werden aus Kollegen schnell Kontaktpersonen.

Sollten bald noch mehr Beschäftigte fehlen, könnten Betriebe zeitweise schließen

Aus der Lebensmittelindustrie wurde in dieser Woche indes eine noch deutlichere Warnung an die NRW-Regierung herangetragen. Demnach könnten einzelne Schlacht- und Zerlege-Betriebe in der kommenden Woche zeitweise schließen, weil ihnen so viele Beschäftigte fehlten.

Laumanns Ministerium öffnet sich daher nun für eine andere Forderung aus der Branche. Sollte sich die Lage so zuspitzen wie befürchtet, dann könnten Kontaktpersonen ohne Symptome künftig in Einzelfällen trotz Quarantäne arbeiten dürfen. Das ginge aber nur in Kombination mit "einem nochmal verbesserten Hygienekonzept", so die Behörde - und nur in dringend erforderlichem Maß. Zudem müssten betroffene Beschäftigte dann täglich getestet werden, separat wohnen und ebenfalls getrennt zur Arbeit kommen. Das Ministerium stehe dazu mit den örtlichen Gesundheitsämtern "bereits im Austausch".

Während die Fleischindustrie im Westen also über Sonderregeln diskutiert, treibt das Grundproblem auch andere Wirtschaftszweige um. So berichtet der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, dass infolge der Pandemie immer mehr Lkw-Fahrer fehlen. Der Krankenstand sei diesen Januar um fünf bis zehn Prozentpunkte höher, als es vor der Krise saisonüblich war. "Noch sind die Lieferketten stabil, leere Regale drohen noch nicht", sagt Vorstandsprecher Dirk Engelhardt. "Aber wenn die Infektionszahlen weiter so durch die Decke gehen, sind sie gefährdet."

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