Axel H., 47, hat ganz klein angefangen. Er war Schlachter in einer Arbeiterkolonne, stieg zum Kolonnenführer auf, und nach ein paar Jahren mischte er selbst in großem Stil in einem schmutzigen Geschäft mit: Jahrelang hat der Unternehmer aus Dormagen die deutsche Schlachtindustrie mit billigen Arbeitskräften aus Mittel- und Osteuropa versorgt. Nun sitzt er auf der Anklagebank des Düsseldorfer Landgerichts.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mit Hilfe eines sorgfältig getarnten Schwarzlohnsystems rumänische Leiharbeiter als eigenständige Subunternehmer ausgegeben zu haben, obwohl diese nur scheinselbständig waren. Es geht um Sozial- und Steuerbetrug mit einem Gesamtschaden von 14 Millionen Euro. Der Strafprozess wirft jedoch auch ein Licht auf Machenschaften in einer Branche, die inzwischen auch die EU beschäftigt.
Schweine werden zunehmend in Deutschland geschlachtet, allein in diesem Jahr dürften es 58 Millionen sein. Aber nur etwa 80 Prozent sind für den Eigenbedarf. Deutschland ist vom Netto-Fleisch-Importeur zum Exporteur geworden. Und das ist auch deshalb so lukrativ, weil hierzulande beim Schlachten der Billiglohn-Tourismus blüht.
Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sind nicht selten nur noch 20 Prozent der Beschäftigten auf einem Schlachthof in Deutschland direkt beim Betreiber angestellt - zu aus Sicht der Gewerkschaft akzeptablen Löhnen von etwa 15 Euro die Stunde. Die anderen Arbeitnehmer kommen häufig aus Osteuropa. Sie schlachten für fünf bis zehn Euro die Stunde, haben in der Regel Werkverträge und unterliegen damit nicht dem deutschen Arbeitsrecht, weil ihr Arbeitgeber, der sie in die deutschen Betriebe schickt, im Ausland sitzt. Für den stellvertretenden NGG-Vorsitzenden Claus-Harald Güster ist der Prozess vor dem Düsseldorfer Landgericht deshalb nur ein besonders schwerer Fall in einer Branche, "der ein System von Raubtierkapitalismus und Menschenverachtung entlarvt".
Weil die Rufe der Gewerkschaft nach einem Mindestlohn in der deutschen Fleischindustrie seit Jahren ungehört bleiben, vernichtet das billige Fleisch aus deutschen Landen inzwischen anderswo Arbeitsplätze. Die Gewerkschaften in Frankreich, Dänemark und Belgien sind alarmiert. In Frankreich gilt für Schlachter eine Lohnuntergrenze von 8,86 Euro. Werkverträge in Schlachtbetrieben sind dort verpönt. Die französische Fleischindustrie hat deshalb eine Vereinigung gegen Sozialdumping gegründet und die Europäische Kommission aufgefordert, Deutschland zu zwingen, einen Mindestlohn einzuführen.
Die Dänen schicken inzwischen selbst gezüchtete Schweine zum Töten und Zerlegen über die Grenze nach Deutschland. In Dänemark verloren 2009 etwa 3000 Mitarbeiter in Schlachthöfen ihren Job. Sie hatten tariflich gesicherte Stundenlöhne von 20 Euro erhalten. Im Gegenzug hat der Branchenriese Danish Crown einen Schlachthof in Essen mit 1200 Mitarbeitern übernommen. Allerdings kommen nach Angaben der NGG davon etwa 1000 Billiglohn-Schlachter über Werkverträge aus Osteuropa.
Dabei geht es auch anders: Manche Unternehmen zahlen inzwischen freiwillig wenigstens 7,50 Euro pro Stunde. Das Schweinefleisch wird deshalb nicht unbedingt teurer, das rechnet zumindest die NGG vor: Gäbe es einen allgemein gültigen Mindestlohn in der Branche, würde das Kilo beim Discounter vielleicht fünf Cent mehr kosten.