Keine Frage, gerade jetzt wäre er wichtig: Sport. Um etwas gegen Lagerkoller zu tun, um Körper und Geist gegen das Virus zu wappnen. Wissenschaftler warnen bereits vor den Folgen von Bewegungsmangel. Doch die Fitnessstudios sind geschlossen, auch die Vereine können ihr Sportprogramm nicht anbieten. Die Studios bringt das regelrecht in Existenznöte. Viele Kunden haben zwar langfristige Abonnements abgeschlossen, doch können sie ihre Beiträge aussetzen, so lange die Schließung besteht.
Viele Studios setzen daher auf Online-Kurse, so etwa die Fitnesskette für Frauen, Mrs. Sporty. Die Trainerinnen beraten und begleiten die Mitglieder nun am Telefon, über Skype und andere Social-Media-Kanäle. Möglich wird dies durch eine App, die auch in normalen Zeiten die individuellen Trainingspläne der Mitglieder und die individuellen Trainingsvideos enthält. Damit können sie sich auch im Urlaub oder auf Dienstreisen fit halten. Die Trainerinnen würden die Mitglieder bereits gut kennen. Daher könnten sie diese auch in Corona-Zeiten aus der Ferne gut betreuen und begleiten, erklärt Marion Meytadier, Inhaberin des Mrs.-Sporty-Clubs in München-Solln und Pasing. "Die Trainerinnen motivieren die Frauen beispielsweise per Telefon, Whatsapp oder Skype, die Trainingszeiten einzuhalten oder erkundigen sich, wie das letzte Training lief", sagt Meytadier. "Besonders in den turbulenten Zeiten ist es wichtig, die Kontinuität einzuhalten, damit die Trainingsroutine nicht verloren geht", erklärt sie.
"Belly Burn mit Antonia" und "Six Pack Intense mit Tobi"
In einer E-Mail bat sie die Mitglieder um Solidarität. "Ich bin Einzelunternehmerin und natürlich auf eure Mitgliedsbeiträge angewiesen, um weiterhin die Fixkosten, die alle in voller Höhe weiterlaufen, bezahlen zu können", schreibt sie. "Ich will meinen Mitarbeiterinnen, Partnern und Zulieferern die finanzielle Sicherheit bieten, wie sie sich sicherlich jeder von uns selbst wünscht. Dies geht nur gemeinsam und mit Rücksicht aufeinander." Auch die Münchner Kette "Fit Star" setzt auf digitale Inhalte. Auf Youtube wurden Videos hochgeladen, in denen die Trainer Übungen für zu Hause vormachen - "Belly Burn mit Antonia" oder "Six Pack Intense mit Tobi". Zusätzlich können die zahlenden Mitglieder über eine Online-Plattform von zu Hause aus an Kursen teilnehmen.
"Es ist ein kluger Schachzug, das Kundenerlebnis in der jetzigen Situation aus dem Studio herauszutragen", sagt Jens Hogreve, Professor für Dienstleistungsmangement an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Denn wenn das Fitnessstudio plötzlich nicht mehr geöffnet hat, besteht die Gefahr, dass die Kunden es vergessen - und sich früher oder später abmelden. "Wer hingegen jetzt weiter mit ihnen interagiert, hält den persönlichen Kontakt und damit die Bindung aufrecht", sagt Hogreve.
Beim Urban Sports Club, einer Plattform, die Flatrates für Fitnessstudios und viele andere Veranstalter von Freizeitaktivitäten anbietet, gibt es inzwischen bereits ein großes Angebot von Online-Kursen, bei denen man über die Videokonferenz-Plattform Zoom mit Trainer oder Trainerin verbunden wird. Auch aus Berlin kann man so an einem Kurs in Stuttgart teilnehmen, "mehr als 300 Studios machen bereits mit", sagt Moritz Kreppel, einer der Mitgründer des Urban Sports Club. Mehr als 5000 Kurse habe es bereits gegeben, mehr als 10 000 Teilnehmer haben dafür eingecheckt. 80 Prozent der Einnahmen will Kreppel an die Studios weitergeben, denn "wenn die Studios nicht überleben, ist niemandem geholfen". Trotzdem entgeht den Studios viel Geld, sie verkaufen ja auch Dinge wie Energieriegel und Proteinshakes - was nun natürlich nicht möglich ist.
Urban Sports Club hat Verträge mit etwa 12 000 Studios in Europa, die Kunden können je nach Abo-Modell bestimmte Leistungen in Anspruch nehmen, sind aber nicht an ein Studio oder eine Kette gebunden. Kreppel glaubt, dass das digitale Angebot auch nach der Krise bleiben wird. Wie es dann ausgestaltet wird, sei aber offen.
Die Plattform Cyberconcept, nach eigenen Angaben europaweit Marktführer im Bereich virtuelle Fitness, setzt auf Freiwilligkeit: Sie öffnet ihr Portal kostenlos für alle, bittet aber die Kunden von Fitnessstudios, im Gegenzug ihre Abos nicht zu unterbrechen oder zu kündigen, sondern die Mitgliederbeiträge weiterlaufen zu lassen und die Branche damit zu stabilisieren.
Bisher zeigen die Kunden großes Verständnis für die besondere Situation
Viele kleinere Unternehmen sind in Sachen Digitalisierung dagegen noch in der Lernphase, wie der Fall von Wolfgang Stein zeigt: "Das ist ein Crashkurs Digitalisierung, den wir gerade alle machen." Stein gehört eine Tanzschule in Hagen, ein Familienbetrieb mit etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Seit Mitte März ist der geschlossen, ganz verzichten müssen die Kunden auf ihre Kurse aber nicht: Seine Tochter Lena nahm kurzerhand Videos auf und streamte sogar einige Zumba-Kurse live. Das ist allerdings gar nicht so leicht - denn es müssen diverse rechtliche Fragen geklärt werden, es geht vor allem um Musiklizenzen und die Frage, wie man sicherstellt, dass nur zahlende Kunden die Videos bekommen.
Es gebe außerdem einen wichtigen Unterschied im Vergleich zu den Fitnessstudios, sagt Stein: Dort zahlen Mitglieder oft einen fixen Monatsbeitrag und können die Angebote so häufig nutzen, wie sie wollen. In der Tanzschule dagegen zahlen die Kunden einen Preis für eine konkrete Leistung. Also zum Beispiel einen Grundkurs mit sechs Einheiten oder einen Zumbakurs mit einer Stunde pro Woche. "Die erste Tanzsaison von Januar bis zu den Osterferien können wir erst einmal nicht abschließen", sagt Stein. Also verschiebe sich alles nach hinten. "Natürlich machen wir uns Sorgen, wie das werden wird. Im Moment ist jeder Tag ein Umsatzverlust-Tag."
Bisher gebe es aber immerhin noch keine negativen Rückmeldungen von Kursteilnehmern, eher im Gegenteil: Das Verständnis sei groß. Auch deshalb freut sich Lena Stein auf die Zeit nach der Krise, wenn sie nicht mehr nur im virtuellen Saal mit ihren Teilnehmern tanzt: "Die Tanzschule lebt von der Atmosphäre vor Ort. Wenn die Krise vorbei ist, werden wir wieder deutlich weniger Digitalkurse anbieten."