Fitness:Weight Watchers wollen wieder zulegen

Oprah Winfrey

US-Talk-Lady Oprah Winfrey (Mitte), die nach eigenem Bekunden mit Weight Watchers abgespeckt hat, tanzt mit ihrer Trainerin auf einem Gruppentreffen.

(Foto: Mark Von Holden/AP)
  • Weight Watchers war lange Zeit sehr erfolgreich mit seinen Abnehm-Programmen. Doch in letzter Zeit hat das Unternehmen viele Kunden verloren.
  • Das Unternehmen kämpft mit seinem "hausbackenen" Image und muss nun den Rückstand gegenüber den innovativeren Anbietern aufholen.

Von Christoph Gurk und Felicitas Wilke

Es ist ein Samstagvormittag im Juli, kurz vor halb zehn. Frauen und Männer zwischen Ende zwanzig und Mitte siebzig sitzen auf knallgrünen Stühlen in einem Seminarraum. Eine Frau beißt noch kurz von ihrer Banane ab, dann geht es los. "Wir haben heute ganz viel zu feiern", ruft Frank Heinzelmann und strahlt. Eine Frau berichtet, dass sie bereits zehn Prozent ihres Startgewichts verloren habe. Die anderen Menschen im Raum nicken anerkennend und klatschen laut. Die Teilnehmer von Weight Watchers in München berichten ihrem Coach Heinzelmann von Abnehmerfolgen, aber auch vom Stress im Büro, der dazu verleitet hat, in dieser Woche öfter zu den Gummibärchen zu greifen.

Einander zuhören, sich gegenseitig motivieren und Fortschritte frenetisch feiern: Darin besteht das Konzept des US-amerikanischen Unternehmens Weight Watchers. Seit 1970 können auch Deutsche mit dem Programm Punkte zählen und abnehmen. Doch zuletzt hatte das Unternehmen weniger Grund zu jubeln. Weight Watchers verlor innerhalb kurzer Zeit mehr als 20 Prozent seiner Kunden. Am Ende des ersten Quartals 2016 stand ein Verlust von knapp elf Millionen Dollar zu Buche - fast doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Die Konkurrenz bietet nicht nur Rezepte, sondern auch Fitnessübungen

Dabei veröffentlichen Ernährungsapostel in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram andauernd Fotos von Chia-Samen und Wunderbeeren, von Körnern und Granatäpfeln, die angeblich zu geistigen und körperlichen Höchstleistungen verhelfen. Sich bewusst zu ernähren, achtsam mit dem eigenen Körper umzugehen und spürbar, aber nicht im Hauruckverfahren abzunehmen: Das scheint vielen Menschen heute wichtiger denn je zu sein. Für all das steht auch Weight Watchers, doch profitieren kann das Unternehmen immer weniger von seinem Geschäftsmodell. "Die Marke Weight Watchers mutet hausbacken an", sagt Christoph Rasche, Professor für Sportökonomie an der Universität Potsdam. Der Name klinge nach Kontrolle, das stark auf die wöchentlichen Treffen ausgerichtete Konzept erinnere an eine Selbsthilfegruppe. "Weight Watchers transportiert kein sportliches Lebensgefühl", so Rasche.

Wer abnehmen will, holt sich zunehmend Hilfe im Internet. Apps, die man sich schnell und einfach aufs Handy laden kann, boomen. "Yazio", "My Fitness Pal" oder "Noom" werden millionenfach heruntergeladen, sie stehen in den Top 100 der App-Charts. Auch sie sollen dabei helfen, abzunehmen und sich besser zu ernähren. Doch anders als die Treffen von Weight Watchers sind die Online-Angebote nicht an einen Termin gebunden. Apps von Samsung oder Apple können jederzeit den ganzen Körper überwachen - inklusive Blutzucker, Gewicht und Ernährung.

Und: Viele Angebote haben einen ganzheitlichen Ansatz, beobachtet Sportökonom Rasche. Online-Fitnessprogramme wie Bodychange oder Gymondo liefern ihren Kunden nicht nur Ernährungstipps und Rezepte, sondern auch Videos mit Fitnessübungen zum Nachmachen. "Das ist aus sportwissenschaftlicher und aus ökonomischer Sicht sinnvoll", findet Rasche. Beim Abnehmen gehe es nie nur darum, weniger zu essen. Man müsse sich auch mehr bewegen. Wenn ein Unternehmen beides aus einer Hand biete, könne man mit der Zeit immer mehr Produkte unter dem Dach einer Marke verkaufen: zum Beispiel eigene Sportgeräte oder Nahrungsmittel. Längst haben Unternehmen erkannt, was für ein Potenzial in den Ernährungsapps und Online-Fitnessstudios liegt. Sie investieren.

Potenzial dürfte es noch immer geben

Der US-Sportartikelhersteller Under Armour zum Beispiel übernahm 2015 für fast eine halbe Milliarde Dollar gleich mehrere Fitness- und Ernährungsapps, eine davon: My Fitness Pal. Und der Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 lancierte im vergangenen Jahr über das Unternehmen "7NXT Health" um die zehn neue Online-Abnehmprogramme - mit prominenter Unterstützung. Der mit einem Waschbrettbauch gesegnete Moderator Daniel Animati agiert beim Programm "Mach dich krass" als Vorturner, bei einem anderen Angebot zeigt Ski-Star Maria Höfl-Riesch, wie man mit Unterarmstütz und gesunden Rezepten Kilos verlieren kann.

Während die Kunden der Online-Fitnessstudios für die meist vier- bis zehnwöchigen Programme schnell mal 30 bis 80 Euro zahlen müssen, sind viele Apps gratis. Die Anbieter verdienen entweder mit Werbung oder kostenpflichtigen Premium-Angeboten ihr Geld. Das, was die App wirklich von der Konkurrenz absetzt, gibt es meist nicht umsonst: nämlich Diätpläne, Coaching mit Hintergrundinformationen und detaillierte Auswertungen.

Bei den Weight Watchers in München sind die Stühle der Teilnehmer mittlerweile leer, das Treffen ist nach einer guten halben Stunde vorbei. Coach Frank Heinzelmann, ein freundlicher, schlanker Mann, zückt sein Smartphone. Er wischt routiniert über die Zukunftsstrategie seines Arbeitgebers: die Weight-Watchers-App. Seit knapp fünf Jahren hält das Abnehm-Unternehmen auch ein digitales Angebot bereit. Wer bloß die App und einige Zusatzangebote im Netz nutzt, zahlt pro Monat knapp 17 Euro. Nutzer, die auch zu den Treffen gehen wollen, müssen monatlich mehr als das Doppelte lockermachen. Die Weight-Watchers-App funktioniert ähnlich wie die Angebote einiger Konkurrenten. Sie greifen auf Datenbanken zurück, in denen Grundnahrungsmittel und Produkte aus dem Supermarkt gespeichert sind.

Die App ist nur eine von mehreren Strategien

Wenn Heinzelmann beispielsweise den Hüttenkäse einer Discounter- Eigenmarke kaufen will, scannt er den Barcode des Produkts mit seiner App - und erfährt umgehend, wie viel er davon essen darf, um sein tägliches Punkte-Budget nicht zu überschreiten. Viele Apps zeigen die Kalorien von Lebensmitteln an, Weight Watchers setzt seit jeher auf ein Punktesystem. Was viele Angebote gemein haben: Die Nutzer müssen ihre Mahlzeiten und alle darüberhinaus während des Tages verzehrten Lebensmittel in ein digitales Ernährungstagebuch eingeben.

Die App ist nur eine von mehreren Strategien, mit denen Weight Watchers die Wende schaffen will. Das Unternehmen hat auf den Trend hin zum ganzheitlichen Abnehmen reagiert und setzt seit Ende vergangenen Jahres zunehmend auf Bewegung. Die Nutzer können sich online Fitnessvideos anschauen und erhalten Tipps vom Coach, wie sie sich im Alltag mehr bewegen können. Eine prominente Hoffnungsträgerin gibt es auch: Die US-Talkmasterin Oprah Winfrey sicherte sich im Herbst zehn Prozent der Weight-Watchers-Aktien und bekannte, mit dem Programm fast zwölf Kilogramm abgenommen zu haben. Der Aktienkurs schnellte daraufhin um 20 Prozent in die Höhe. Sportökonom Christoph Rasche glaubt aber nicht, dass sich dieser Effekt auf Deutschland auswirkt. Winfrey sei hierzulande nicht bekannt genug. Um dauerhaft zu überleben, braucht Weight Watchers seiner Ansicht nach ein neues Konzept. "Vielleicht lässt sich eine zweite Marke mit anderem Namen aufbauen, die jünger und sympathischer auftritt und sich mehr auf das Thema Fitness konzentriert", sagt Rasche.

Potenzial dürfte es noch immer geben, auch für altmodisch anmutende Angebote wie die wöchentlichen Treffen. Denn vielen Menschen fällt es schwer, sich zum Sport zu motivieren und dauerhaft gesünder zu essen. Da kann es helfen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Im Internet klatscht keiner, wenn ein paar Kilo weniger auf der Waage stehen.

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