Fiskus greift durch:Die große Allianz der Steuerfahnder

Diskret reichen sie weltweit ihre Daten weiter - und fordern nach den Enthüllungen: Steuerzahler, macht euch ehrlich!

Von Cerstin Gammelin, Berlin

In Paris haben sie getagt, streng vertraulich, bei der Wirtschaftsorganisation OECD. Ein paar Tage später saßen sie, ebenfalls informell, in Washington zusammen, am Rande des Treffens der weltweiten Finanzelite von Weltbank, G 20 und Internationalem Währungsfonds (IWF). Ende kommender Woche werden sie in Berlin im Bundesfinanzministerium beraten, in dem weitläufigen Gebäude an der Wilhelmstraße.

Als hätten die Steuerfahnder rund um den Globus nur darauf gewartet, endlich mit vereinter Kraft vorgehen zu können, löst seit der Veröffentlichung der Panama Papers ein Treffen das nächste ab. Steuerfahnder zahlreicher Länder bilden Allianzen, suchen sich zu vernetzen, um Daten und Informationen über Steuerhinterzieher und Geldwäscher zu kommen - und Steuern einzutreiben.

Es sind nicht nur die Deutschen, dieErnst machen wollen. Auch die USA zeigen ungewohnte Aktivitäten. Sie nahmen sowohl an den Treffen in Paris als auch in Washington teil. Darüber hinaus rief die US-Steuerbehörde die Bürger dazu auf, sich steuerehrlich zu machen - bevor die Behörden Ermittlungen einleitet. Denn dann wäre es zu spät, dann droht die Strafe. Es geht um elf Millionen Dokumente über 214 000 Briefkastenfirmen aus der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca.

Ein US-Vertreter saß mit am Tisch, als sich vergangenen Mittwoch die kaum bekannte Arbeitsgruppe JITSIC in Paris traf. JITSIC - das steht für "Joint International Tax Shelter Information &Collaboration", für den gemeinsamen Kampf und Datenaustausch zu Steueroasen. Der diskrete Verbund der Steuerfahnder ist bei der OECD in Paris angesiedelt.

Referatsleiter von Finanzbehörden aus 35 Staaten stimmten sich vertraulich ab: Wer hat Daten, wer kann sie beschaffen? Und: Wie kann der Austausch von Daten zwischen den Steuerverwaltungen organisiert werden? "Da wird ganz praktisch geredet", heißt es aus Teilnehmerkreisen. Tatsächlich sitzen in der Arbeitsgruppe nur Staaten, die bereit sind, Informationen und Daten auszutauschen. "Wer beitritt, bekennt sich zum Austausch", heißt es bei der OECD. Die Liste der Staaten gibt Anlass zur Hoffnung: auch Russland, China, die USA oder Australien sitzen mit am Tisch.

Auch von der Europäischen Kommission gibt es das Bekenntnis, strenger und strikter gegen Steuerflucht und Geldwäsche vorgehen zu wollen. Aber weil die EU-Kommission immer nur so stark auftreten kann, wie es ihre 28 Mitgliedsstaaten zulassen, gibt es berechtigte Zweifel, dass sich die Ankündigung praktisch durchsetzen lässt. Das wiederum hat Norbert Walter-Borjans (SPD), den Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, zu einer ungewöhnlichen Aktion veranlasst. Er wies seine Behörden an, Datensätze mit Verdacht auf Steuerhinterziehung an mehr als zwanzig Staaten zu senden.

Nordrhein-Westfalen hatte zuvor mehrere Steuer-CDs aufgekauft, darunter im vorigen Jahr auch eine kleinere Datenmenge aus der Kanzlei Mossack Fonseca in Panama, die Informationen über einige Hundert Briefkastenfirmen enthielt. Zudem hatten die Fahnder in NRW gegen Banken wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt, was weitere Daten über Privatpersonen und Unternehmen zu Tage förderte. Insgesamt ist zu prüfen, ob Konten mit einem Vermögen von über 90 Milliarden Euro ordnungsgemäß versteuert wurden. Und das betrifft längst nicht nur deutsche Steuerzahler, sondern insbesondere auch Steuerzahler aus Belgien, Großbritannien, Luxemburg, Österreich, die Niederlande, Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland. "Daher ist es nur konsequent, dass wir die Daten den jeweiligen Ländern zur Verfügung stellen", begründet Walter-Borjans seine Aktion. "Wenn Steuerhinterzieher sich internationaler Kanäle bedienen, müssen die Steuerfahndungen ebenfalls grenzüberschreitend zusammenarbeiten." Inzwischen erreichen Walter-Borjans Dankesbriefe der europäischen Kollegen. "Wir schätzen Ihre Bereitschaft, die Daten zu teilen", heißt es in einem.

Die neue Allianz der Steuerfahnder bewegt auch Finanzinstitute, sich kooperativ zu zeigen. "Bei uns haben sich nach der Panama-Berichterstattung erste Banken gemeldet und Kooperationsbereitschaft signalisiert", sagt Walter-Borjans. Details will er nicht nennen. Allerdings ist bekannt, dass die Privatbank Berenberg angekündigt hat, sie wolle kooperieren. Bei der zweiten Bank soll es sich um die Bayerische Landesbank handeln, die Probleme mit einer früheren Tochter in Luxemburg hat. Die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) fordert am Mittwoch, das Mittel der strafbefreienden Selbstanzeige zu nutzen: "Das Entdeckungsrisiko bei Steuerhinterziehung ist groß", sagt sie. "Auch deshalb fordere ich Steuersünder auf: Nutzen Sie ihre Chance, ungestraft in die Legalität zurückzukehren und zeigen Sie sich beim Finanzamt an."

Am 28. und 29. April wird sich auch die Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zur "Transparenz von Steueroasen und Briefkastenfirmen" treffen. Die Tagesordnung der Sondersitzung in Berlin ähnelt jener bei den internationalen Treffen in Paris und Washington: Wie können die Panama-Daten beschafft werden? Und wie kann man konsequent gegen Steuerflüchtlinge, Beihilfe zur Steuerflucht und Geldwäsche vorgehen? Im Gespräch ist, die Meldepflichten zu erweitern, Sanktionen zu verschärfen und Betriebe effizienter zu prüfen. Auch soll es eine Anzeigenpflicht sowie eine Haftung bei Steuerschäden geben. Bis zur Jahresfinanzministerkonferenz am 3. Juni sollen die Gesetzesänderungen vorbereitet und abgestimmt werden.

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