Fiskalpolitik:Große Reform, kleine Effekte

Eine Digitalsteuer wäre für die amerikanischen Techkonzerne wohl keine Bedrohung - und die zusätzlichen Einnahmen für den Staat wären auch nicht enorm, wie eine Analyse zeigt.

Von Bastian Brinkmann

Viele Länder in Europa wollen sie, die USA wehren sich: Die Digitalsteuer soll aus Sicht der Befürworter dafür sorgen, dass Techkonzerne mehr Steuern zahlen. Doch vielleicht wäre eine große Steuerreform für die großen Konzerne gar nicht so schlimm - und würde den Staaten nicht so viel Geld bringen, wie sich manche erhoffen. Die Linksfraktion im Bundestag hat durchrechnen lassen, wie sich die amerikanische Steuerreform unter US-Präsident Donald Trump auf Digitalkonzerne ausgewirkt hat. Das ist interessant, weil eine internationale Steuerreform entscheidende Elemente der US-Novelle aufgreifen könnte - die Folgen in den USA können also ein Indikator dafür sein, welche Auswirkungen eine globale Variante einer solchen Reform potenziell hätte. Das Fazit dieser Analyse: Auf die ausländischen Gewinne zahlen die untersuchten Konzerne mehr Steuern, aber nicht sehr viel mehr. Große Sprünge dürfen demnach von einer Digitalsteuer also nicht erwartet werden.

Der Report vergleicht die tatsächlichen Steuerzahlungen von Facebook, dem Google-Konzern Alphabet, Microsoft und Apple mit denen, die hypothetisch und geschätzt angefallen wären, hätte es die Reform nie gegeben oder hätte sie schon länger gegolten. Die US-Steuerreform ist seit Anfang 2018 in Kraft. Daher liegen nun für zwei Jahre Geschäftszahlen in den offiziellen Börsenberichten vor, die mit den früheren Daten unter dem alten Steuerregime verglichen werden können.

Geändert wurde als ein gewichtiger Faktor die Besteuerung von Gewinnen außerhalb der USA, wenn beispielsweise Softwarepatente eine Rolle spielen, was bei Techkonzernen häufig der Fall ist: Die Programmierer sitzen im Silicon Valley, aber gesurft wird auch in Europa, dort leben die Nutzer der Dienste, die Kunden - wo müssen die Gewinne versteuert werden, im Land der Nutzer oder im Land der Programmierer? Über diese Frage ist sich die Staatengemeinschaft nicht einig, und diese Uneinigkeit können Konzerne nutzen und mitunter ihre Steuerzahlungen enorm minimieren.

Gewinne ausländischer Konzerntöchter aus Softwarepatenten müssen in den USA seit der Reform nachversteuert werden, wenn die zuvor ans Finanzamt überwiesenen Summen unter einen gewissen Wert fallen. Fachleute nennen das die GILTI-Regel. Sie ist nur ein Bestandteil der US-Reform, ein Fokus auf sie erlaubt einen beispielhaften Blick auf die mögliche Wirkung einer Digitalsteuer, wenn sie ähnliche Mechanismen nutzen würde. Für die vier Konzerne Facebook, Alphabet, Microsoft und Apple lässt die neue GILTI-Regel die Steuerlast auf die betroffenen Gewinne hochgerechnet und durchschnittlich über die Jahre hinweg von neun Prozent vor der Reform auf rund zwölf bis 13 Prozent danach steigen, zeigt die Analyse im Auftrag der Linksfraktion. Amazon wurde in der Analyse nicht berücksichtigt, weil die internationalen Gewinndaten nicht vergleichbar seien, so der Autor der Analyse. Eine Stichprobe von vier Firmen gibt natürlich nur einen kleinen Einblick angesichts Tausender multinationaler Konzerne, die von einer globalen Steuerreform betroffen wären - und es sind beileibe nicht nur Digitalkonzerne, die Lücken im internationalen Steuerrecht nutzen. Eine Steuerreform dieser Art könnte beispielsweise auch Pharmakonzerne treffen, weil Patente und ausländische Märkte für die Branche ebenfalls sehr wichtig sind. Aber die Techkonzerne sind stärker Teil der politischen Debatte. Und sie haben auch in der Corona-Krise soeben erstaunlich positive Gewinnzahlen gemeldet, an denen Haushaltspolitiker angesichts der Kosten der Pandemie interessiert sein könnten.

Derzeit ist offen, ob so eine internationale Steuerreform überhaupt kommt. Wie alle großen internationalen Verhandlungen erfordern sie viel diplomatisches Kapital. Die USA drohen damit, sie scheitern zu lassen. Eigentlich wollten die G-20-Nationen dieses Jahr einen Kompromiss finden. Die G 20 sind die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, dieses Jahr geführt von Saudi-Arabien. Die OECD, eine Art Denkfabrik für die Regierungen, forciert die Verhandlungen. Vermutlich werden auch die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und Europa sowie die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen eine Rolle spielen.

Die USA haben in ihrer Steuerreform nicht nur Schlupflöcher für die Konzerne geschlossen, Washington hat zum Ausgleich auch die Steuerrate gesenkt, die allgemein für Gewinne gilt, und zwar von 35 Prozent auf 21 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Wert bei rund 30 Prozent. In der Praxis wird in der Regel weniger fällig, weil Unternehmen wie Privatpersonen auch Kosten von der Steuer absetzen können. Unterm Strich ist die US-Reform für die vier untersuchten Digitalkonzerne auch darum kein Nachteil gewesen, argumentiert die Analyse der Linksfraktion. Ihr zufolge ist die Besteuerung der vier Techunternehmen nach der Reform leicht gesunken, wenn man Sonderzahlungen außer Acht lässt - gewisse Schwankungen in den Steuerzahlungen sind bei so großen Konzernen aber auch ohne Reformen normal.

Fabio De Masi von der Linken-Bundestagsfraktion warnt daher davor, zu große Hoffnungen in eine solche globale Steuerreform zu setzen. "Reine Digitalsteuern sind ungeeignet, internationale Konzerne angemessen zu besteuern", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion. "Die Digitalisierung erleichtert es den Techkonzernen, zusätzlich Gewinne frei zu verschieben, die mit den Daten von Bürgerinnen und Bürgern erzielt werden."

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