Fischerei:Querelen um Garnelen

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Am Fang von roten Riesengarnelen (im Bild die nicht minder köstlichen Vertreter einer kleineren Art) entzündete sich der Streit zwischen Italien und Frankreich. (Foto: nblxer - Fotolia)

Italien und Frankreich streiten um Fanggebiete im Mittelmeer - nicht zuletzt wegen einer Tiefsee-Delikatesse.

Von Oliver Meiler, Rom

Manchmal kreist die Weltpolitik auch um rote Riesengarnelen. Es kann sogar vorkommen, dass sich wegen dieser kleinen Krebstiere zwei befreundete Staaten verkrachen. Wobei man gleich sagen muss, weil es in diesem Fall wesentlich ist, dass es sich hier um zwei Nationen mit einem ausgeprägten, schier religiösen Hang zu den kulinarischen Seiten des Lebens handelt: um Frankreich und Italien.

Die Geschichte beginnt vor drei Jahren. Damals unterzeichneten die Außenminister der beiden Länder einen Vertrag, der ihre Grenzen im Mittelmeer neu regeln sollte. Die alten Linien waren 1892 gezogen worden, an manchen Punkten im Ligurischen Meer und zwischen Sardinien und Korsika jedoch immer umstritten geblieben. Die Verhandlungen hatten fast zehn Jahre gedauert, heraus kam ein dünnes Abkommen: fünf Seiten, sechs Artikel und 42 Koordinaten für minimale Verschiebungen. Da und dort sollten die Franzosen etwas mehr Hoheit erhalten, an anderen Stellen die Italiener.

Proteste blieben zunächst aus, denn in Italien müssen solche internationalen Verträge vom Parlament ratifiziert werden - passiert ist das noch nicht. In Frankreich braucht es keine Zustimmung. Und so hielt es der dortige Zoll für angebracht, die neue Linienführung durchzusetzen. Rabiat, zum Exempel. Es traf Mina, ein Fischerboot aus Sanremo, das seine Netze an einem wunderbaren Platz mit schrecklichem Namen ausgeworfen hatte: über der Fossa del cimitero, der Friedhofsgrube. Seit 1892 italienisch.

In Wahrheit ist die Grube eine Schatztruhe, das ideale Habitat für Gamberoni rossi. Die teuren roten Riesengarnelen leben und vermehren sich dort prächtig in 900 Meter Tiefe. In den besten Häusern kommen sie sogar roh auf den Tisch: beträufelt mit Zitronensaft und kalt gepresstem Olivenöl, bestreut mit Basilikum und grobem Salz. Oder aus der Pfanne, mit Knoblauch und einem Schuss Brandy, Petersilie und Pfeffer.

Mina fischte nach diesen tollen Garnelen, als der französische Zoll aufkreuzte und die Besatzung nach Nizza mitnahm. Das Gebiet sei nun französisch, hieß es. Das Schiff wurde beschlagnahmt, als wäre der Vertrag schon gültig. Seitdem kursiert in Italien das Gerücht, die Regierung habe die besten Fischereigründe des Landes einfach an die Franzosen verschenkt. Vermeintlich dringlich wurde die Geschichte in dieser Woche: Rechte Medien behaupteten, Frankreich setze den Vertrag unilateral um. Natürlich war das Quatsch, eine klassische Falschmeldung. An ihrer Verbreitung beteiligte sich Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen Lega. Er möchte gern Italiens Ministerpräsident werden. "Wir stoppen diesen Raubbau", twitterte er dramatisch.

Das Außenministerium hat die Meldung nun dementiert - und Paris aufgefordert, mal endlich Klarheit zu schaffen. Die Franzosen mussten einräumen, dass die neuen Karten, die sie online gestellt haben, etwas gar hastig entstanden sind. Man müsse da noch einmal drüber.

Die Friedhofsgrube bleibt also italienisch, vorerst jedenfalls. Und mit ihr bleiben es die Gamberoni rossi. Vorzüglich sind sie übrigens auch vom Grill, eingewickelt in feine Zucchinistreifen.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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