Firmenübernahmen:Ein Lob der Mäßigung

Der Mut wächst: Übernahmen von Unternehmen sind wieder möglich. In der Krise werden noch gute Geschäfte gemacht - doch schon bald könnten wieder Übertreibungen drohen.

Martin Hesse

Es geht wieder was, im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen. Weil Hoffnung auf ein Ende der Rezession keimt und die Aktienkurse sich erholen, werden auch Firmenkäufer wieder mutiger.

Der Angriff des amerikanischen Lebensmittelkonzerns Kraft auf den britischen Süßwarenspezialisten Cadbury ist dafür nur das sichtbarste Zeichen. Die Deutsche Telekom ist im Begriff, ihre britische Mobilfunktochter zu verkaufen; Thyssen-Krupp schöpft Hoffnung, endlich ihr Geschäft mit Industriedienstleistungen abstoßen zu können; und selbst Finanzinvestoren kommen allmählich aus ihren Löchern, wie der Einstieg von BC Partners bei den deutschen Labordienstleistern Synlab und Futurelab zeigt.

Es ist einerseits eine gute Nachricht, wenn auf dem Markt für Firmen die Eiszeit endet. Wenn etwa eine verlustreiche Sparte einen ganzen Konzern in den Abgrund zu reißen droht, kann der Verkauf an neue Eigentümer dem kranken Bereich neue Perspektiven eröffnen und die Mutter von Lasten befreien. Fehlt in Familienunternehmen ein Nachfolger, kann oft nur der Verkauf an Konkurrenten oder Investoren sicherstellen, dass die Firma fortgeführt wird.

Hat sich ein Unternehmen strategisch verzettelt, bringt eine Übernahme von außen womöglich frischen Wind. Fusionen und Übernahmen gehören zum marktwirtschaftlichen Prozess, können Pleiten verhindern und Wachstumschancen eröffnen. Als Finanzkrise und Rezession die Märkte lähmten, war dieser Lösungsweg für viele Unternehmen versperrt.

Andererseits haben Fusionen und Übernahmen gerade auf dem Höhepunkt des Booms in den Jahren 2006 und 2007 viel Schaden angerichtet. Finanzinvestoren bürdeten den Firmen, die sie kauften, enorme Schulden auf, unter denen jetzt manch ein Unternehmen zusammenzubrechen droht.

Auch Industriekonzerne stürzten sich in abenteuerliche Zukäufe, die sie mit Krediten finanzierten. Schaeffler und Porsche sind abschreckende Beispiele dafür, wohin es führen kann, wenn Manager ihre eigenen Möglichkeiten überschätzen. Beide leben nach den Angriffen auf Continental und VW nur noch von Gnaden der Banken, Porsche wird seine Unabhängigkeit verlieren.

Von solchen Exzessen ist das Geschäft mit Firmenkäufen heute weit entfernt. Finanzinvestoren fehlt das Geld, auch die meisten Unternehmen müssen ihre Mittel zusammenhalten und viele Banken gewähren kaum noch Übernahmekredite. Es ist kein Zufall, dass vor allem Rohstoff- und Energiekonzerne, Pharmaunternehmen sowie Konsumgüterhersteller Übernahmen wagen. Ihr Geschäft war in der Krise relativ stabil.

Daneben gab es vor allem Notverkäufe in der Finanz- und Autobranche, meist staatlich unterstützt und gelenkt. Die Übernahmepreise sind heute niedriger, bezahlt wird meist bar oder mit Aktien, per Kredit lassen sich Zukäufe nicht mehr stemmen. Das dürfte noch einige Zeit so bleiben und vor allem Finanzinvestoren treffen. Nur Beteiligungsfirmen, die bereit sind, viel eigenes Geld in die Hand zu nehmen, werden vorerst eine Chance bekommen.

Es wäre zu schön, hätten Firmenkäufer die Lehren aus dem Crash von 2008 gezogen und gingen bei Übernahmen dauerhaft behutsamer vor. Doch in dem Maße, wie Banken wieder mehr Geld für Zukäufe bereitstellen und die Aktienkurse steigen, wird auch der Risikohunger der Firmenchefs wieder wachsen und ihre Disziplin nachlassen. Die besten Deals aber werden in der Krise gemacht. Also jetzt.

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