Firmenpleiten:Retten, was zu retten ist

Pleite - und dann? Was die Insolvenz eines Unternehmens für Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner bedeutet.

S. Haas, M. Hesse, M. Völklein, S. Weber

Die Insolvenz einer Firma betrifft viele: Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter. Was bedeutet die Insolvenz von Arcandor für sie? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Firmenpleiten: Die spektakulärsten Insolvenzen der deutschen Nachkriegsgeschichte (Auf das Bild klicken, um zu vergrößern).

Die spektakulärsten Insolvenzen der deutschen Nachkriegsgeschichte (Auf das Bild klicken, um zu vergrößern).

(Foto: Grafik: SZ)

Arcandor strebt einen Insolvenzplan an. Was ist das?

Beim Insolvenzplanverfahren versucht das alte Management, überwacht von einem Insolvenzverwalter, die Firma ganz oder in Teilen zu erhalten. Die Aufstellung eines Insolvenzplans ist aufwendig. Dafür erhalten die ungesicherten Gläubiger binnen eines Jahres etwa 20 Prozent ihrer Forderungen. In einem normalen Insolvenzverfahren beträgt die Quote zwei Prozent binnen fünf Jahren.

Wie sind die Chancen, große Teile zu erhalten?

Der Fall der Modekette Sinn-Leffers zeigt, wie es gehen kann: Innerhalb weniger Monate dünnte der Filialist sein Ladennetz um die Hälfte aus, trennte sich von jedem zweiten Mitarbeiter, gilt aber jetzt als wettbewerbsfähig.

Was bedeutet das für die Kunden?

Der Geschäftsbetrieb in den Warenhäusern und im Versand läuft zunächst unverändert weiter. Bereits erteilte Bestellungen im Versandhandel werden weiter ausgeführt, versichert Arcandor. Auch eventuelle Anzahlungen von Kunden sollen bestehen bleiben und bei der Schlusszahlung angerechnet werden.

Wie steht es um den Anspruch der Kunden auf Gewährleistung?

Tritt ein Mangel an einer gekauften Ware auf, so muss der Händler normalerweise den Mangel beheben, den Preis mindern oder den Kauf rückabwickeln. Doch im Falle einer Insolvenz geht "das Heft des Handels auf den Insolvenzverwalter über", erläutert Anwalt Andreas Schrettl von der Kanzlei Taylor Wessing. "Er kann entscheiden, wie er verfahren möchte." Die Verbraucherzentrale Berlin rät Arcandor-Kunden daher, etwaige Ansprüche zügig geltend zu machen. Garantien, die ein Hersteller vergeben hat, sind von der Insolvenz unberührt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die Besitzer von Gutscheinen beachten sollten.

Umtauschen? Besser schnell!

Was sollten Besitzer von Gutscheinen beachten?

Wer einen Gutschein von Karstadt oder Quelle hat und auf Nummer sicher gehen will, sollte nicht warten und ihn möglichst rasch einlösen, rät Evelyn Kessler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Ähnlich verhält es sich, wenn man eine Ware umtauschen möchte. Der Umtausch von fehlerfreien Gütern ist zwar grundsätzlich eine Frage der Kulanz des Händlers; es besteht also kein Rechtsanspruch, sagt Kessler: "Wenn ein Händler aber nicht mehr existiert, kann man auch kein T-Shirt und keine Hose mehr zurückgeben."

Was kommt auf die Vermieter zu?

Der Insolvenzverwalter kann Mietverträge kurzfristig kündigen. Das ist für Karstadt bedeutend, weil der Konzern lange Verträge mit hohen Mieten hat. 85 Prozent der Immobilien gehören der Gesellschaft Highstreet, an der Goldmann Sachs, die Deutsche Bank, Pirelli, Generali und Borletti beteiligt sind. Zudem gehören fünf Warenhäuser von Sal. Oppenheim aufgelegten Fonds. Die Vermieter werden nun versuchen, andere Mieter zu finden oder Häuser zu verkaufen. Da Highstreet die Immobilien teils per Kredit gekauft hat, haben aber auch deren Gläubiger Ansprüche.

Was kommt auf die Banken zu?

Arcandor schuldet den Banken etwa 960 Millionen Euro. Hauptgläubiger sind die BayernLB, die Commerzbank und die Royal Bank of Scotland, die jeweils etwa 250 bis 350 Millionen Euro an Forderungen haben. Die Kredite sind offenbar mit Vermögenswerten, etwa Anteilen an Thomas Cook, weitgehend abgesichert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie es für die Arcandor-Mitarbeiter weitergeht.

Arbeit verweigern oder auf Abfindung hoffen?

Was bedeutet es für die Mitarbeiter?

Das Arbeitsverhältnis bleibt vorerst unverändert. Der Insolvenzverwalter tritt an die Stelle des alten Arbeitgebers. Er kann die Arbeitsverhältnisse mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen. Längere Fristen, etwa aus Tarifverträgen, gelten nicht mehr.

Gibt es eine Abfindung?

In Unternehmen mit einem Betriebsrat ist in der Insolvenz ein Interessenausgleich und Sozialplan möglich. Dies führt dann theoretisch auch zu Abfindungen für die Arbeitnehmer. Bei einer Insolvenz ist die Abfindung aber auf 2,5 Monatsgehälter je Arbeitnehmer begrenzt.

Dürfen Mitarbeiter die Arbeit verweigern?

Wenn der Arbeitgeber längere Zeit keinen Lohn zahlt, dann ja. "Der Mitarbeiter muss das aber ankündigen und dem Arbeitgeber eine Frist setzen. Damit soll er die Möglichkeit bekommen, das Gehalt doch noch zu zahlen", empfiehlt Ruth-Ellen Unruh, Anwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Tiefenbacher.

Wann gibt es Insolvenzgeld?

Für Ansprüche, die in den letzten drei Monaten vor der Insolvenz entstanden sind, bekommen die Arbeitnehmer Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur. "Das muss spätestens zwei Monate nach Beginn der Insolvenz beantragt werden, sonst verfallen die Ansprüche", so Unruh. Das Insolvenzgeld soll den ausgefallenen Nettolohn der Arbeitnehmer ausgleichen. Es wird durch die Beitragsbemessungsgrenze "gedeckelt". Sie liegt bei einem Bruttomonatsgehalt von 5400 Euro in West- und bei 4550 Euro in Ostdeutschland.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Zukunftschancen die einzelnen Geschäftsbereiche von Arcandor haben.

Die Konkurrenz wittert ein Schnäppchen

Was passiert mit Karstadt?

Der Metro-Konzern will schon seit längerem seine Warenhaus-Tochter Kaufhof unter ein Dach mit Karstadt bringen. Durch die Insolvenz kann sich Metro diejenigen Filialen heraussuchen, die es haben möchte. Metro will nur 60 der insgesamt 91 Häuser übernehmen.

Was geschieht mit dem Versandgeschäft Primondo/Quelle?

Branchenbeobachter räumen dem Versandgeschäft noch die größten Chancen auf eine eigenständige Zukunft nach einer Insolvenz ein. Die Versandgruppe Otto hat bereits Interesse an einigen Spezialversendern signalisiert.

Wie sieht die Zukunft von

Thomas Cook

aus?

Für den Touristikkonzern, an dem Arcandor knapp 53 Prozent hält, wird sich wohl rasch ein Käufer finden. Thomas Cook ist operativ und finanziell eigenständig. Die Rewe-Gruppe, zu der unter anderem die Marken ITS und Dertour gehören, hat bereits Interesse bekundet.

Müssen Kunden der Karstadt-Quelle-Bank bangen?

Nein. Seit 1. April gehört die Bank nicht mehr zu Arcandor; zwischen dem neuen Besitzer, der Valovis Bank, und Arcandor gibt es nach eigenen Angaben "keine kapitalmäßigen Verflechtungen". Zudem ist sie im Einlagensicherungsfonds der Banken. Bei einer Pleite würde dieser für die Einlagen haften; könnte er nicht einspringen, würde der Staat zu Hilfe eilen.

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