Firmengründer wird 100:Das süße Geheimnis des Werner Otto

Unternehmer-Pionier mit einem Faible für Süßes: Werner Otto, Gründer des weltgrößten Versandhändlers, wird 100 Jahre alt.

S. Bigalke u. M. Thiede

Zweimal täglich ein Schüsselchen Crème Caramel sowie ab und zu ein Baileys zum Einschlafen - vielleicht ist das Werner Ottos Geheimnis. Vor zehn Jahren hat er es aufgeben, sich mit fettarmem Essen gesund zu ernähren, und seine Leidenschaft für Süßes scheint ihm gut zu tun: "Für die Ärzte ist er ein absolutes Wunder. Sie finden nichts an ihm, er ist völlig gesund", erzählte seine Frau Maren am Dienstagmorgen, als sie in Berlin statt seiner den Journalisten Rede und Antwort steht.

Werner Otto, Maren Otto, Foto: ddp

100 Jahre alt wird Versandhaus-Pionier Werner Otto am Donnerstag. Seit 46 Jahren an seiner Seite: Ehefrau Maren.

(Foto: Foto: ddp)

Werner Otto wird an diesem Donnerstag hundert Jahre alt, er ist gesund und auch noch recht rüstig, aber den unvermeidbaren Fragen der Medien, wie der alte Herr denn so seinen Tag gestaltet, will seine Familie ihn dann doch nicht aussetzen. Maren Otto kennt ihn seit 46 Jahren - so lange ist sie schon mit ihm verheiratet. Es ist seine dritte Ehe.

Kein Interesse am Blitzlichtgewitter

"Bescheiden bin ich gar nicht, aber ich mache eben nicht so einen Rummel wie die anderen", hat er mal über sich gesagt. In diesen Tagen aber machen andere den Rummel um ihn - schließlich ist er der Gründer der Hamburger Otto Group, des größten Versandhandels-Konzern der Welt.

Zum Beispiel die Stadt Berlin. Als Otto am Nachmittag im Roten Rathaus die Ehrenbürgerschaft verliehen bekommt, reden andere viel, vor allem Klaus Wowereit. Der Geehrte schweigt und sitzt fast reglos im Sessel, die Hände wie festgenäht auf den Knien. Die Lobeshymnen scheinen ihn nicht so sehr zu interessieren, die Augen sind geschlossen. Aber Otto schläft nicht: Wenn zwischen den Reden die Musik spielt, wippen seine ordentlich nebeneinander gestellten Füße abwechselnd im Takt dazu.

Seit zehn Jahren lebt Werner Otto wieder ganz in Berlin. Bis dahin war er zwischen seinen Domizilen in Hamburg, Berlin, Garmisch-Partenkirchen und Long Island gependelt. Doch dann kaufte er sich auf einem Wochenendtrip kurzerhand eine Villa in Grunewald. Der Ruheständler war schon immer für schnelle Entscheidungen. Er wolle "dorthin, wo sich alles bewegt", sagte er zur Begründung. Hier hatte er schon als junger Unternehmer Partys gefeiert.

Ein Genießer ist Otto bis heute geblieben. Otto steht morgens froh auf und geht abends froh schlafen, erzählt Ehefrau Maren. Kaum ein Wochenende vergeht, an dem ihn nicht Freunde in der Villa besuchen. In zwei Tagen wird dort auch der Geburtstag gefeiert, mit mehr als 100 Gästen, darunter Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die Niederlage als Anfang

Werner Otto gehört zu jener Gruppe deutscher Unternehmer, deren nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Firmen Weltklasse erreicht haben. Dabei hatte alles mit einer Niederlage begonnen. Mit einem Koffer voller Papiergeld und Ausweisen als Flüchtling, Schwerkriegsbeschädigter und politischer Häftling war er mit seiner Familie aus der Mark Brandenburg nach Hamburg geflüchtet. Otto war gelernter Einzelhandelskaufmann und versuchte sich zunächst als kleiner Schuhfabrikant. Doch er scheiterte, weil er nicht genügend Fachkräfte bekommen konnte; die Konkurrenz überholte ihn.

Um die Restposten Schuhe loszuwerden, bastelte er 300 Exemplare eines handgeklebten und handgebundenen Katalogs - sozusagen die Ur-Version des Otto-Katalogs. Im Nachkriegs-Deutschland blühte das Versandhandels-Geschäft; vor allem die Leute auf dem Land, fern der Kaufhäuser, fanden Gefallen an dieser bequemen Art des Einkaufens. Kataloge wurden zur beliebtesten Lektüre der Deutschen.

Otto wuchs in großen Sprüngen: Schwab und Heine kamen zur Gruppe, Otto engagierte sich in den USA und in Kanada. Heute ist der Konzern der größte Versender der Welt.

Routine war Ottos Sache nie. Als Unternehmer blieb er nicht beim schlichten Versandhandel. Er gründete den Hermes-Versand und baute sich damit einen von der Post unabhängigen Vertrieb auf. Heute bietet Hermes seine Dienste auch Dritten an und macht der Post Konkurrenz. Handelsexperten bescheinigen dem Unternehmer einen ausgeprägten Instinkt für Veränderungen im Konsumentenverhalten. So erkannte er früh die Bedeutung von Einkaufszentren und gründete 1969 die ECE Projektmanagement, die Dutzende Einkaufszentren in Europa entwickelt und betreibt. Doch hin und wieder machte er auch mal Fehler. Von einer Kette mit Autowaschanlagen trennte er sich wieder.

"Wer viel hat, soll viel geben"

Mitte der sechziger Jahre zog sich der Unternehmer aus der Konzernleitung des Versandhandels zurück - nach einem körperlicher Zusammenbruch. Mit dem Abgeben von Verantwortung hatte er aber auch nie ein Problem gehabt, sagen Weggefährten: Er hielt sich nicht für unentbehrlich. Sein Sohn Michael übernahm die Geschäfte des Versandhandels, bei ECE sitzt heute sein jüngster Sohn Alexander an der Spitze.

"Wer viel hat, soll viel geben" ist ein Motto von Werner Otto. Mit Stiftungen und Instituten unterstützt er medizinische Projekte, besonders für Kinder. Und zu seinem Geburtstag haben er und seine Frau eine Stiftung zur Unterstützung armer älterer Menschen in Berlin und Brandenburg gegründet.

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