Firma Hans Brochier: Prozess wegen Untreue:Hochstapler mit teuren Hobbys

Rhodri Philipps ist eloquent, adlig und ein Mann feiner Manieren - jetzt steht er vor Gericht. Weil er Geld für seine Frau, Füllfederhalter und den Transport von Polopferden abgezweigt haben soll.

Uwe Ritzer

Hätten die Bauarbeiter an jenem heißen Augusttag 2006 das Zimmer nebenan gestürmt, hätte Rhodri Philipps womöglich eine ordentliche Tracht Prügel bezogen. Stattdessen aber bauten sie sich im Büro des Geschäftsführers in der Nürnberger Zentrale der Firma Hans Brochier auf und forderten ihren seit Wochen ausstehenden Lohn. Sie ahnten nicht, dass eine Tür weiter Rhodri Philipps saß. Der schillernde Spross eines alten britischen Adelsgeschlechtes, der gerne behauptet, sein Stammbaum reiche zurück bis zu Richard von Löwenherz, schloss sich ein und stellte sich tot. Philipps gehörte die Firma Brochier. Als die Polizei schließlich den Arbeiteraufstand beendete, türmte er mit dem Geschäftsführer Hals über Kopf und tauchte unter. Zurück blieb eine Firma mit 720 Mitarbeitern, aber ohne Führung und Geld. Einige Tage später stellte die IG Bau Insolvenzantrag, Brochier wurde zerschlagen.

Firma Hans Brochier: Prozess wegen Untreue: "Hätte er nicht so offen für persönliche Zwecke in die Tasche gegriffen, käme er wohl ungestraft davon": Rhodri Philipps.

"Hätte er nicht so offen für persönliche Zwecke in die Tasche gegriffen, käme er wohl ungestraft davon": Rhodri Philipps.

(Foto: Foto: oh)

Der Prozess könnte peinlich werden

Die Betroffenen waren damals schon überzeugt, was die Staatsanwaltschaft von Montag an vor dem Landgericht Nürnberg beweisen will. Sie wirft Rhodri Philipps vor, mit Hilfe seines mitangeklagten Vertrauten Derek A. die im Rohr- und Anlagenbau tätige Traditionsfirma finanziell ausgeplündert, zig Millionen Euro Firmenvermögen veruntreut und zum Teil privat verprasst zu haben. "Hätte er nicht so offen für persönliche Zwecke in die Tasche gegriffen, käme er wohl ungestraft davon", sagt IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel. So drohen Philipps mehrere Jahre Haft. Peinlich werden könnte der Prozess allerdings für einige nordrhein-westfälische Politiker bis hin zu Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU).

Im Herbst 2004 kreuzte Rhodri Philipps erstmals in Düsseldorf auf und versprach, dem Regionalverband Ruhr (RVR) und dessen Tochter, die Abfallgesellschaft Ruhr (AGR), von einer drückenden Last zu befreien. 1999 hatte die AGR die Firma Brochier gekauft, die seit 1992 tiefrote Zahlen schrieb. Für die AGR wurde sie zum Fass ohne Boden. Schon im ersten Jahr musste sie nach den Erkenntnissen der Nürnberger Ermittler 23 Millionen Euro zuschießen, um die Pleite zu verhindern. 2002 verpfändete die AGR sogar Wertpapiere, um einen 38-Millionen-Euro-Kredit abzusichern. Nie kam Brochier auch nur in die Nähe der schwarzen Null. Es gibt Schätzungen, wonach AGR bis zu 200 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat. Politisch war der Brochier-Kauf höchst umstritten. Wozu braucht eine kommunale Abfallgesellschaft im Ruhrgebiet ein fränkisches Unternehmen, das Rohre verlegt?

So viel Glanz blendet

2004 drohten die Probleme bei Brochier den Verantwortlichen endgültig über den Kopf zu wachsen. Schließlich wies das Innenministerium die AGR an, Brochier zu verkaufen. Irgendwer brachte Philipps ins Spiel. Thoben war damals noch nicht Ministerin, sondern Direktorin der Muttergesellschaft RVR. Später sagte sie, erhebliche Bedenken hätten sie bei dem Geschäft gequält. Aber Philipps war ein Mann mit feinen Manieren, eloquent, gewandt, weltmännisch, mitunter vielleicht ein bisschen zu schäbig angezogen, gemessen am britisch-aristokratischen Auftreten - so jedenfalls beschreiben den 41-Jährigen diejenigen, die ihn bei Sitzungen erlebt haben. Außerdem wies er ja eine imposante Ahnentafel vor.

Ein Vater, der Jahrzehnte lang ein angesehenes Mitglied im britischen Oberhaus war. Eine Mutter, deren Familie mit Weingütern und Bergwerken in Chile ein Riesenvermögen angehäuft haben soll. "Philipps beeindruckte alle", sagt einer, der mit ihm am Tisch saß. Man traf sich bisweilen in feinen Hotels und einmal soll er mit einem wertvollen Adels-Almanach zu Thoben marschiert sein, "um auch bei ihr seine Show abzuziehen".

So viel Glanz blendete. Niemand bei der AGR scheint die Bonität des vermeintlichen Retters je überprüft zu haben. Dabei hätte eine einfache Recherche im Internet genügt, um im britischen Individual Insolvency Register zu lesen, dass bereits 2002 der Oxford County Court ein Insolvenzverfahren gegen Philipps eingeleitet hatte. Nach misslungenen Stahlgeschäften in den USA war er längst pleite. Die Behörden auf der Insel hatten ihm jede Geschäftsführung verboten. Dennoch wurden am 15. Dezember 2004 die von einem Notar in Basel ausgefertigten Kaufverträge unterschrieben. Auch diesmal blamierte sich die AGR.

Im zweiten Abschnitt: Wofür Philipps Firmengelder verprasst hat.

Hochstapler mit teuren Hobbys

Philipps hatte immer angekündigt, Brochier mit seinem Finanzinvestor Aubach Capital Partners zu übernehmen, registriert auf den britischen Jungferninseln, einer Steueroase mit mehr Briefkastenfirmen als Einwohnern. Das machte die Spitze der Abfallgesellschaft Ruhr genauso wenig stutzig, wie Philipps plötzlicher Schwenk, er müsse Brochier nun statt mit Aubach, mit seiner Bromley Consulting und der auf den Seychellen eingetragenen Optional Systems übernehmen, um Grunderwerbssteuer zu sparen. Rechtlich ein völliger Humbug. Laut Bundeszentralamt für Steuern ist Optional Systems eine reine Briefkastenfirma, und Aubach Capital verfügt weder über Personal, noch über Büros, Vermögen oder Telefon. Für Brochier mit Niederlassungen in Nürnberg, Aschaffenburg, Stuttgart, Dortmund und München zahlte Philipps einen Euro an die AGR. Diese trat einen 15-Millionen-Euro-Anspruch an seine Firma Bromley ab und sie besorgte Philipps einen 11-Millionen-Euro-Kredit. Frisches Geld, das Brochier dringend zum Überleben brauchte.

Philipps gab die 11 Millionen jedoch für ganz andere Zwecke aus. Am Morgen des 19. Januar 2005 erhielt der Brochier-Geschäftsführer nach Erkenntnissen der Ermittler einen Anruf von Derek A., dem mitangeklagten Philipps-Vertrauten. A. soll ihn angewiesen haben, das gerade auf dem Firmenkonto 4027590 bei der Dresdner Bank in Dortmund eingegangene Geld sofort an eine Anwaltskanzlei in London zu überweisen. Kurz darauf wurde es auf ein anderes Konto der Kanzlei in München weitergeleitet. Dort wurde die Summe gesplittet. Mit acht Millionen Euro kaufte Philipps die Frankfurter Chemiefirma LII. Ein weiterer Teil floss für andere geschäftliche Zwecke ab, und 1,346 Millionen Euro sollen über ein Konto bei der Investic Bank auf Mauritius in den Taschen von Philipps gelandet sein.

Edle Halstücher, teure Füllfederhalter

"Die AGR hat gewusst, wofür er das Geld verwenden wollte", sagt sein Verteidiger, der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate. Das könne man belegen, auch wenn die Ex-AGR-Geschäftsführer das Gegenteil behaupten. Sein Mandant habe "Brochier nie ausplündern wollen", sondern "Konzepte gehabt, um die Firma zu retten". Außerdem sei er immer von namhaften Beratern begleitet worden, wie der Londoner Kanzlei. "Es ist häufig in solchen Fällen", sagt Strate, "Berater begleiten alles und danach tun sie so, als ob sie nichts wüssten."

Seit einem Jahr sitzt Philipps in Untersuchungshaft. Als er, von London kommend, am 6. März 2007 in Frankfurt landete, wurde er verhaftet. In seinem Reisegepäck fanden die Ermittler ein Notebook, mit dem sie den Verbleib der 1,346 Millionen Euro rekonstruierten. Sie stießen unter anderem auf Überweisungen an die Ehefrau (300 000 Euro), einen Londoner Büchsenmacher (82 900) und für den Transport von Polopferden (18073). Polo ist das teure Hobby des Adeligen. Allein dafür soll er 258 000 Euro abgezweigt haben.

Auch sonst gab der klamme Blaublüter gerne den Lebemann. Die Fahnder entdeckten Rechnungen aus feinen Londoner Clubs, Restaurants und dem Edelkaufhaus Harrods. Gelegentlich war Rhodri Philipps auch in Nürnberg auf Shoppingtour. In der Kaiserstraße kaufte er edle Halstücher und teure Füllfederhalter. Als Brochier kurz nach dem Arbeitersturm in die Insolvenz ging, hatte Rhodri Philipps über die Kreditkarte insgesamt 248 766, 39 Euro ausgegeben.

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