Fintechs:Gefeiert und gescheitert

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Finanz-Start-ups haben in Deutschland 2015 so viel Geld angezogen wie nie zuvor - trotzdem gab es erstaunlich viele Pleiten. Die Investoren haben schlicht auf die falschen Segmente gesetzt.

Von Andrea Rexer, München

Eigentlich sind sie zu jung, um zu sterben. Die Szene der Finanz-Start-ups in Deutschland ist gerade erst im Entstehen und schon häufen sich die Pleiten. Mehr als 25 der sogenannten Fintechs sind 2015 vom Markt verschwunden. Haben die Kassandras recht, die behaupten, dass hier eine Blase entstanden ist? Sind die Pleiten in Deutschland das erste Anzeichen, dass diese Blase platzt, bevor sie überhaupt groß geworden ist?

Indizien dafür gibt es: Zum Beispiel floss 2015 so viel Geld in den Sektor, wie nie zuvor. Fast 300 Millionen Euro steckten Investoren in deutsche Finanz-Start-ups, berechnete Barkow Consulting (siehe Grafik). Das ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 80 Prozent. Besonders beliebt bei den Investoren waren vor allem zwei Bereiche innerhalb der Fintechs: Zahlungsverkehr und Crowdinvesting, also jenen Plattformen bei denen Anleger kleine Beträge in große Projekte investieren können. Und es waren genau diese zwei Bereiche, in denen besonders viele Marktaustritte zu beobachten waren.

Andere Bereiche - etwa Immobilien, Geldanlage oder Kreditgeschäft - wiesen keine auffälligen Pleite-Zahlen auf. Damit liegt der Verdacht nahe, dass hier nicht die große Fintech-Blase platzt, sondern schlicht und einfach einige Investoren auf die falschen Bereiche innerhalb der Szene gesetzt haben.

Es ist aufschlussreich, sich die Gründe des Scheiterns in den beiden Segmenten anzusehen. Im Zahlungsverkehr lockte ein großes Vorbild die Nachahmer in eine falsche Richtung: Paypal. Das Unternehmen wickelt inzwischen einen Großteil der Zahlungen bei Online-Bestellungen ab. Und weil immer mehr im Internet bestellt wird, sind die Wachstumsaussichten hervorragend. Der Erfolg von Paypal hat viele magisch angezogen. Kein Wunder: "Paypal ist mehr wert als die Deutsche Bank", sagt Finanzierungs-Experte Peter Barkow. Nach seinen Erhebungen haben Payment-Anbieter in diesem Jahr in Deutschland die meisten Finanzierungsrunden abschließen können. Gleichzeitig sind neun Payment-Anbieter 2015 vom Markt verschwunden. Wenn sich ein Anbieter durchgesetzt hat, gibt es für Kunden wenig Anreiz zu wechseln. Paypal ist den anderen Fintechs um einige Jahre voraus, diesen Vorsprung einzuholen, ist extrem schwer. Und die Nischen, die Paypal neben sich offenlässt - etwa beim Bezahlen mit Smartphone - sind klein. Dafür steht der Rückzug des branchenweit bekannten Anbieters Yapital protypisch: Schließlich war die Tochter der Otto Group eine der ersten, die in Deutschland auf mobiles Bezahlen gesetzt hat. Die Begründung, die Otto für den Rückzug angibt, ist eindeutig: zu viel Wettbewerb um zu wenige Kunden. Es gebe in Deutschland nur 200 000 Nutzer für Mobile Payment, heißt es in der schriftlichen Mitteilung.

Beim mobilen Bezahlen räumen Experten Apple, Google und Facebook die besten Chancen ein

Aus der Traum vom Bezahlen mit dem Handy? War das nicht eine der greifbarsten Zukunftsvisionen der Fintechs? "Die Lösungen der deutschen Anbieter sind schlicht noch nicht kompetitiv genug", sagt Payment-Experte Jochen Siegert. Anders als etwa in den USA funktioniert das Kartensystem in Deutschland verlässlich und schnell. Warum also mit dem Handy bezahlen, wenn es mit der Bank-Karte genauso bequem geht? Dennoch glaubt Siegert, dass mobiles Bezahlen kommen wird - aber erst, wenn ein Anbieter es schafft, dem Kunden einen echten Zusatznutzen zu bieten. Reichweite ist im Zahlungsverkehr die entscheidende Größe. Mit einer einzelnen Transaktion lässt sich nämlich kaum Geld verdienen. Hier kommt es auf die Masse an. Und das ist auch der Grund, warum auch Thomas Dapp, Experte der DB Research, glaubt, dass dieses Rennen letztendlich die großen Player machen werden. "Sie haben enorme Reichweite, sie sind international und ihre Kunden sind sehr loyal", so Dapp. Spielraum für Fintechs sehen die Experten dennoch - aber nur in den Nischen fern vom direkten Kundenkontakt, etwa bei Software-Lösungen.

Auch bei den Crowdinvesting-Plattformen, von denen es in Deutschland über 50 gibt, ist die Nachfrage nicht so groß wie gedacht. Allein 2015 sind 13 Anbieter vom Markt gegangen. Für die Investoren war das teuer: Sie haben acht Millionen Euro in den Sand gesetzt, wie Peter Barkow vorrechnet. Bei manchen der Plattformen fehlte schlicht das notwendige Know-how. Denn ihr Geschäft, die Investition in Start-ups zu einem sehr frühen Zeitpunkt, erfordert viel Wissen. "Die Crowd ist vielleicht nicht so schlau, wie manche dachten", sagt ein Experte, der damit nicht zitiert werden will. Er will nicht den Hass der Internetgemeinde auf sich ziehen. Er spielt darauf an, dass sich schon Venture-Capital-Fonds schwer damit tun, zu beurteilen, welche neugegründeten Unternehmen sich am Markt durchsetzen und welche nicht. Warum sollten es Kleinanleger besser können?

(Foto: SZ)

Thomas Dapp hingegen zweifelt nicht an der Grundidee: "Crowdinvesting ist eine wichtige Finanzierungsquelle für ganz junge Start-ups. Den Bereich können Banken aufgrund der Regulierung gar nicht abdecken." Dennoch sind auch für ihn die Plattformen nur Nischenplayer. Dass so viele Anbieter ausgeschieden sind, sieht er nicht negativ. Eine Marktbereinigung sei sogar notwendig, um die erfolgreichen Spieler wachsen zu lassen. Und Erfolg misst sich an Geld: "Entscheidend ist, dass in den nächsten drei Jahren mindestens ein großer Exit stattfindet", sagt Barkow und meint damit, dass eines der Projekte auf den Plattformen richtig Geld für die Investoren abwirft.

In welche Fintechs lohnt es sich also zu investieren? Hier werden die Experten schwammig. Sie nehmen Wörter wie "Big Data" und "Künstliche Intelligenz" in den Mund, oder sprechen von Kryptowährungen wie Bitcoin. Nur in einem sind sie sich einig: Ein paar Fintechs werden das Rennen machen - wer errät, welche das sind, wird reich.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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