Finanzsektor:Grüne Frage

The Eiffel tower is illuminated in green with the words 'Paris Agreement is Done', to celebrate the Paris U.N. COP21 Climate Change agreement in Paris

Im Pariser Klimaabkommen wurde die Absicht formuliert, Finanzmittelflüsse sollten „in Einklang gebracht werden“ mit einem Weg hin zu einem geringeren Treibhausgasausstoß - die Ergebnisse der Expertengruppe sind ein erster Schritt.

(Foto: Jacky Naegelen/Reuters)

Die EU will den Finanzsektor für den Umweltschutz in die Pflicht nehmen. Banken müssten etwa weniger Eigenkapital für die Finanzierungen nachhaltiger Projekte vorhalten.

Von Alexander Mühlauer und Jan Willmroth, Brüssel/Frankfurt

Wenn Vertreter der EU-Kommission beschreiben, wie viel Geld der Klimaschutz kosten wird, arbeiten sie mit gewaltigen Zahlen. Allein, die Emissionsziele bis 2030 zu erreichen, erfordere zusätzliche Investitionen von 180 Milliarden Euro pro Jahr, heißt es seitens der Behörde. Ohne ausreichend privates Kapital wird das nicht möglich sein. Die Kommission hat sich deshalb einen Umbau des Finanzsektors vorgenommen, um mehr privates Geld zu mobilisieren. Angedacht sind neue Regeln für Banken, Vermögensverwalter und Pensionskassen, strengere Transparenzpflichten sowie neue Befugnisse für Aufsichtsbehörden.

Vor einem guten Jahr hat die Kommission eine "Hochrangige Expertengruppe" damit beauftragt, Reformvorschläge für mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor zu erarbeiten. Die Gruppe sollte aufzeigen, wie mehr Kapital in nachhaltige Investitionen gelenkt werden kann und darlegen, wie das Finanzsystem besser vor Risiken geschützt werden kann, die sich beispielsweise aus den Folgen des Klimawandels ergeben. An diesem Mittwoch stellt das 20-köpfige Gremium in Brüssel seinen Abschlussbericht vor. Die Empfehlungen darin reichen von einheitlichen Kategorien für grüne Finanzierungen bis hin zu neuen Pflichten für Profi-Investoren, Nachhaltigkeitskriterien stärker zu berücksichtigen.

Hintergrund der Überlegungen ist erstens die Finanzierungslücke sowie die im Pariser Abkommen formulierte Absicht, Finanzmittelflüsse sollten "in Einklang gebracht werden" mit einem Weg hin zu einem geringeren Treibhausgasausstoß. Zweitens geschieht an den Finanzmärkten derzeit ein Wandel - angetrieben von besseren Daten und einer höheren Nachfrage nach umweltfreundlichen Anlagen: Ökologische und soziale Kriterien werden zunehmend zu harten Finanzkennzahlen und damit Teil der klassischen Risikoanalyse. "Der Risikobegriff muss erweitert werden", fordert Michael Schmidt, Geschäftsführer bei Deka Investment und Mitglied in der Expertengruppe. "Vor allem längerfristige Risiken wie die Folgen des Klimawandels werden derzeit noch nicht ausreichend erfasst." Das könne die Stabilität des Finanzsystems gefährden.

Auf Grundlage der Experten-Empfehlungen will die EU-Kommission im März einen Aktionsplan vorstellen. In einem Arbeitspapier der Behörde heißt es unter anderem, man werde "die Möglichkeit eines grünen Faktors in den Aufsichtsregeln untersuchen", wenngleich die Expertengruppe das nicht ausdrücklich empfiehlt. Ein solcher Faktor würde bedeuten, dass Banken weniger Eigenkapital für Finanzierungen nachhaltiger Projekte vorhalten müssten. Niedrige Kapitalanforderungen schüfen Anreize für Investoren, ihr Geld in klimafreundliche Investments zu stecken, schreibt die Kommission. Der Begriff "Nachhaltigkeit" müsse sich dabei nicht auf den Umweltschutz beschränken. Denkbar sei etwa auch die Förderung "sozialer Nachhaltigkeit". Noch ist offen, ob die EU-Kommission daraus auch einen Gesetzesvorschlag machen wird. Am Ende des Arbeitspapiers sind jedenfalls drei "Fragen an die Mitgliedsstaaten" aufgeführt. Eine davon lautet: "Welches Ziel und welche Aspekte von Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial, (...)) sollte das EU-Verfahren abdecken?" Es bleibt abzuwarten, wie die EU-Staaten auf den Vorschlag reagieren, insbesondere auf die Idee niedrigerer Kapitalanforderungen für "grüne" Finanzprodukte.

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin sieht diese Idee durchaus kritisch. Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber warnt vor einem "gefährlichen Paradigmenwechsel". Wenn bei Finanzaufsicht, Bankenregulierung und Verbraucherschutz künftig nicht mehr allein das Risiko des Geschäftsmodells im Fokus stehe, sondern sich alles an der Förderung der Nachhaltigkeit orientiere, sei die Gefahr einer "nächsten Blase" groß. Auch die Grünen im EU-Parlament lehnen das Konzept ab - anders als die privaten Banken, die sich Ausnahmen bei den zuletzt verschärften Kapitalvorschriften erhoffen.

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