Finanzpolitik:Warum Schäuble jetzt Milliarden investiert

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Das bequeme Regieren im Vertrauen auf immer stärker steigende Einnahmen hat für Finanzminister Schäuble ein Ende. (Foto: Getty Images)

Die Steuerschätzung ist schlechter als erwartet. Trotzdem kann Finanzminister Schäuble zehn Milliarden Euro investieren - und einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen. Nun wird auch der Sinn dieser schwarzen Null begreifbar.

Kommentar von Guido Bohsem

Sehr gut! Vielen Dank. Das kam genau zur richtigen Zeit. Gäbe es so etwas wie einen guten Geist für die deutsche Regierungspolitik, er hätte die schlechten, aber nicht ganz so schlechten Zahlen aus der jüngsten Steuerschätzung nicht besser herbeizaubern können.

Die Ergebnisse haben die Kraft, die bisherige Politik der schwarz-roten Koalition auf den Kopf zu stellen, in der es bislang vor allem darum ging, teure Wahlgeschenke an die jeweiligen Interessengruppen zu verteilen. Sie können als Katalysator hin zu einer kraftvolleren Politik wirken, die aktuelle Konjunkturflaute abfedern, das Land voranbringen und womöglich sogar helfen, Europa wieder zu einen.

Die schlechten Zahlen könnten als Katalysator wirken

Doch von vorne: Ja, die Zahlen sind schlechter als noch vor Monaten erwartet. Das stimmt. Und trotzdem kann Finanzminister Wolfgang Schäuble 2015 zum ersten Mal seit mehr als 45 Jahren einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen. Er muss dafür nicht einmal den letzten Cent umdrehen. Die schwarze Null - sie steht. Sie rückt in greifbare Nähe. Und zum allerersten Mal wird nun auch der Sinn dieser schwarzen Null begreifbar.

Mit der Ankündigung eines Investitionsprogramms in Höhe von zehn Milliarden Euro macht Schäuble nun endlich klar, dass Sparpolitik und vernünftiges Handeln eben keine Gegensätze sind. Mit seiner Ankündigung beweist er sogar das glatte Gegenteil - eben weil die Bundesrepublik ihre Haushalte in Ordnung gebracht hat, ist das Land nun in der Lage, zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen.

Geld, das man in die Infrastruktur stecken kann, in ein schnelleres Internet, in besser gedämmte Häuser - man wird sehen. Deutschland kann das tun, weil es sich aus der Schuldenpolitik verabschiedet hat. Das Investitionspaket ist gewissermaßen die erste Dividende aus den Sparanstrengungen: Wir können uns die Dinge leisten, die wir brauchen.

Konjunkturell ist das Programm genau das, was das Lehrbuch derzeit verordnen würde. Es stützt eine schwächelnde Wirtschaft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für eine durchschlagende Wirkung, einen Kickstart in einen neuen Aufschwung fällt es zu klein aus. Das ist angesichts der noch positiven Grunddaten auch nicht so tragisch.

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Das Programm könnte vielmehr seinen Teil tun, die verunsicherten Verbraucher und Unternehmer zu weiteren Ausgaben zu ermuntern - und nebenbei ein paar Dinge, siehe Infrastruktur, entstehen lassen, von denen auch noch Kinder und Enkel profitieren.

Europäisch und international könnte das Programm wie ein Ventil wirken. Die Koalition gibt dem immer stärker steigenden Druck nach, den die Partner aus aller Welt aufbauen. Es sind ja nicht nur die Franzosen und die Italiener, die Deutschland zu mehr Investitionen auffordern, sondern auch die USA und der internationale Währungsfonds. Mit dem Investitionsprogramm lässt die Regierung Dampf aus dem Kessel, ein wenig zumindest.

Doch könnte diese kleine Druckabfuhr ausreichen, um Europa aus dem politischen Patt zu erlösen. Möglich wäre es, das im EU-Defizitverfahren steckende Frankreich zu weiteren Sparanstrengungen zu bewegen. Nach dem Motto: Wir investieren jetzt, wie ihr es seit Monaten von uns fordert. Dann strengt euch im Gegenzug auch bitte etwas mehr an, euren Haushalt in Ordnung zu bringen.

Bleibt die Frage, wie Schäuble das finanzieren will

Wer weiß, vielleicht bringt das Programm sogar so viel Bewegung in die Dinge, dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt im Streit um die richtige Wirtschaftspolitik doch nicht beschädigt wird, wonach es ja seit Monaten aussieht.

Bleibt bei alledem die Frage, wie Schäuble das finanzieren will: die Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben, die Abmilderung der kalten Progression, die fällige Anhebung des Kindergeldes, die Beschäftigungsprogramme für Langzeitarbeitslose, die Mehrausgaben für die Bundeswehr und jetzt auch noch das Investitionsprogramm.

Von alleine wird das nicht gehen, auch das machen die Zahlen der Steuerschätzung deutlich. Das bequeme Regieren ohne Anstrengung und im Vertrauen auf immer stärker steigende Einnahmen hat ein Ende. Doch ist das wirklich eine schlechte Nachricht? Nein, ist es nicht. Die geringeren Steuereinnahmen könnten zu einem Weckruf für die schwarz-rote Koalition werden, die sich nur zu gerne auch große Koalition nennen lässt.

Wie wäre es beispielsweise damit, den großen Topf der Subventionen und Steuererleichterungen noch mal genau anzuschauen? Oder den Irrsinn bei der Mehrwertsteuer einzudämmen? Oder es den deutschen Konzernen schwerer zu machen, ihre Gewinne steuersparend ins benachbarte Luxemburg zu schaffen? Es gibt so viel zu tun. Schön wäre es, wenn die Koalition nun endlich anfinge zu handeln.

© SZ vom 07.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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