Finanzpolitik:Im Zweifel für die Verwaltung

Podiumsgespräch zum 'Mythos Europa'

Finanzminister Schäuble wollte den Härteausgleich abschaffen, doch nach Protesten blieb alles beim Alten.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Der Bundesrechnungshof will eine Steuererleichterung streichen, weil sie die Computerprogramme des Fiskus stört. Das würde Millionen Bürger betreffen. Vorerst allerdings liegen die Pläne auf Eis.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Zeit für die Steuererklärung rückt unerbittlich näher. Wie jedes Jahr - ehe man sich versieht, ist es Mitte Mai, nur noch wenig Zeit zur Abgabe, und wieder mal sind keine Belege gesammelt und erst recht keine Bögen ausgefüllt. Was viele nicht wissen: Grundsätzlich muss kein Arbeitnehmer eine Steuererklärung machen, denn von seinem Gehalt wurde die Lohnsteuer bereits abgezogen.

Erst wenn jemand mehr als 410 Euro zusätzlich verdient, muss er dem Fiskus seine Einkünfte offenlegen. Die Regelung wurde eingeführt, um die Verwaltung zu entlasten. Die Finanzbeamten sollten sich nicht so lange mit Kleinkram aufhalten, sondern die wirklich schwierigen Fälle in den Blick nehmen. So lautete jedenfalls der Gedanke hinter der Regelung, die in der ein oder anderen Form seit fast 70 Jahren angewandt wird.

Der Bundesrechnungshof hält das für überholt. In einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Prüfbericht empfiehlt er deshalb, darauf zu verzichten. Auch bei geringen Nebeneinkünften solle der Arbeitnehmer künftig wieder eine Pflicht zur Steuererklärung haben. Denn nach Einschätzung der Prüfer sorgt der Puffer von 410 Euro schon länger nicht mehr dafür, dass die Steuerzahler darauf verzichten, ihre Steuererklärung ans Finanzamt zu schicken. Dies habe sich aus etwa 800 untersuchten Fällen ergeben.

Tatsächlich können die Steuerzahler nichts verlieren, wenn sie trotzdem ihre Steuererklärung machen. Denn die Vergünstigung für die geringfügigen Nebeneinkünfte erhalten sie trotzdem, Härteausgleich heißt das. Obwohl sie der Verwaltung Arbeit machen, die man vermeiden wollte, bleiben die 410 Euro steuerfrei, bis zu einem Betrag von 820 Euro steigt die Steuerlast stufenweise.

Eine Abschaffung der 410-Euro-Regel käme die Steuerzahler teuer

Nach Meinung des Rechnungshofs sorgt die Vergünstigung in der Verwaltung für Probleme. Die meisten Steuererklärungen würden inzwischen maschinell gelesen. Wenn sich der Steuerzahler aufgrund der 410-Euro-Regel aber entscheide, ein paar Jahre keine Steuererklärung abzugeben, gerät laut Prüfbericht das Risikomanagement der Computer durcheinander. Damit das nicht geschehe, müsse "der Finanzverwaltung daran gelegen sein, alle Arbeitnehmer mit Nebeneinkünften zu veranlagen", so die Prüfer.

In Expertenkreisen stoßen die Prüfer mit ihrem Anliegen auf Widerstand. "Eine Abschaffung der Regelung würde zu einer steuerlichen Mehrbelastung für viele Steuerpflichtige führen", sagt der Berliner Professor für Steuerwirkungslehre, Frank Hechtner. Die Regelung wirke eben doch steuervereinfachend - beim Steuerzahler. Schließlich befreie sie von der Pflicht, eine Erklärung abgeben zu müssen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte ursprünglich erwogen, wenigstens die Hälfte des Problems zu lösen und den Härteausgleich (die Steuererleichterung trotz Abgabe der Erklärung) abzuschaffen. Doch erntete er von Steuerzahler-Verbänden Proteste. Zudem verstieß das Vorhaben gegen die Ankündigung der Union, keine Steuern zu erhöhen. Immerhin wären etwa eine Million Steuerzahler betroffen. Sie hätten im Schnitt 60 Euro mehr Steuern zahlen müssen als vorher. Schäuble verzichtete.

Der Rechnungshof bedauert den Rückzug und pocht nun darauf, die Änderung in einem späteren Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen.

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