Finanzminister zur Krise der EU:"Wir wollen kein deutsches Europa"

German Finance Minister Schaeuble listens to a news conference in the Greek ministry of finance in Athens

"Die Vorstellung ist verfehlt, in Europa müsse - oder könne - einer führen": Finanzminister Wolfgang Schäuble in einem Gastbeitrag. 

(Foto: REUTERS)

Eine besondere Verantwortung in Krisenzeiten? Ja. Eine alleinige Führungsrolle in Europa? Nein. Deutschland will nicht die Lösungen in der Euro-Krise diktieren. Dies verbietet sich allein schon wegen der schuldbelasteten Geschichte des Landes.

Ein Gastbeitrag von Wolfgang Schäuble

Wo stehen wir heute in Europa? Drei Jahre nach dem Start des ersten Hilfsprogramms für Griechenland. Und rund drei Monate nach der Einigung auf das Programm für Zypern. Das Bild ist gemischt: Auf der einen - positiven - Seite gibt es viele ermutigende Zeichen aus den Krisenländern der Eurozone. Reformen der Arbeitsmärkte und der Sozialsysteme werden angegangen, Verwaltungen, Rechts- und Steuersysteme modernisiert. Dies zahlt sich bereits heute aus: Die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Wirtschaftliche Ungleichgewichte sinken. Das Vertrauen der Investoren kommt zurück.

Institutionelle Verbesserungen haben in Europa die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wir künftig solide haushalten. Wir haben nun verbindlichere Regeln, nationale Schuldenbremsen und einen robusten Krisenbewältigungsmechanismus, der Zeit für Reformen verschafft. Als Nächstes schaffen wir eine Bankenunion, die die Risiken für den Finanzsektor selbst wie für die Steuerzahler weiter reduzieren wird. Mit unserer Finanzmarktregulierung sorgen wir dafür, dass die Haftung für Verluste wieder bei denen liegt, die zuvor auch die risikoreichen Anlageentscheidungen getroffen haben. Chance und Risiko kommen erneut zueinander.

Aber es gibt auch eine andere - negative - Seite: Eine breite Verunsicherung in unseren Bevölkerungen. Eine Jugend, die in manchen Regionen Europas derzeit wenige Chancen für sich sieht. Menschen, die ihre Arbeit verlieren, weil sich die Wirtschaft ihres Landes im Umbruch befindet. Dazu eine leider oft von gegenseitigen Vorwürfen und wechselseitiger Herablassung geprägte Krisendebatte, in der längst überwunden geglaubte nationale Klischees und Vorurteile wieder ihr hässliches Antlitz zeigen.

Nicht zuletzt wenn es um die Rolle Deutschlands bei der Krisenbekämpfung geht, ist es eine zutiefst widersprüchliche Debatte. Es herrscht bei vielen in Europa weder Einigkeit darüber, wie Deutschland tatsächlich agiert, noch darüber, wie es agieren sollte: Einige Kommentatoren meinen sogar, dass die notorische "deutsche Frage" zurück ist. Deutschland soll auf der einen Seite "zu stark" sein, um sich in Europa einzuordnen, aber doch auch "zu schwach", um den Kontinent zu führen.

Zugleich heißt es einerseits, dass Deutschland Europa unnachgiebig nach seinem Bilde formen will - und damit also doch führt -, und andererseits, dass Deutschland Führung verweigert, ebenfalls zum Schaden Europas. Und selbst diejenigen, die nach mehr deutscher Führung rufen, tun dies zuweilen aus ganz entgegengesetzten Gründen: Die einen wollen, dass Deutschland seinen Widerstand gegen noch mehr neue Schulden zur vermeintlichen Überwindung der Krise aufgibt. Die anderen wünschen sich hingegen noch mehr Solidität im Gegenzug zur Solidarität.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: