Süddeutsche Zeitung

Finanzminister-Treffen in Luxemburg:Mühsamer Weg zur europäischen Bankenunion

Paris führt neuerdings die Diskussion über die Zukunft Europas an. Das macht die Suche nach einer Einigung noch schwieriger.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Euro-Zone krisenfest und handlungsfähig zu machen, ist das große Versprechen der europäischen Politikelite an die 330 Millionen Bürger, die in Euro-Ländern wohnen und in den vergangenen sieben Jahren mit ihren Steuergeldern helfen mussten, das Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern. An diesem Samstag beginnen in Luxemburg die europäischen Finanzminister mit den offiziellen Beratungen eines Plans zur "Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion Europas", den EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Ende Juni vorgelegt hat. Ziel ist es, über die engere Zusammenarbeit vor allem der Euro-Länder die Steuerzahler zu schonen, Krisen zu verhindern und Wachstum zu fördern.

In Zeiten wie diesen, in denen Europa große Schwierigkeiten hat, sich als Gemeinschaft zu verstehen, darf es als Erfolg gelten, dass die Minister überhaupt einen Plan beraten wollen, der die weitere Vertiefung der Zusammenarbeit und womöglich die Abgabe nationaler Kompetenzen an gemeinschaftliche europäische Institutionen vorsieht. Das heißt aber auch, dass sich die Finanzminister am Samstag in Luxemburg an einen Tisch setzen, ohne an konkreten Beschlüsse zu arbeiten.

Berlin hat sich über die Aussage eines französischen Ministers geärgert

Das hat mindestens zwei Gründe. Frankreich hat nach dem Vorstoß von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Griechenland temporär aus der Euro-Zone auszuschließen, die Führung in der Debatte um die Zukunft der Euro-Zone übernommen, die zuvor Deutschland innehatte. Nachdem Paris erfolgreich den Rauswurf Griechenlands verhindert hatte, legte erst Staatspräsident François Hollande am 14. Juli konkrete Forderungen zur Vertiefung der Währungsunion vor. Anfang September legte Wirtschaftsminister Emmanuel Macron nach.

In Berlin hingegen ist es beim Thema Vertiefung der Währungsunion auffällig ruhig. Das liegt einerseits daran, die Koalitionspartner Union und SPD nicht mit einer Stimme sprechen. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ist sich mit Macron grundsätzlich einig, sie haben schon im Frühjahr gemeinsame Forderungen vorgelegt.

Schäuble wird sich dagegen nicht zuletzt über die Aussage Macrons geärgert haben, wonach Frankreich bereit sei zu reformieren, Deutschland aber auch eine Transferunion mittragen müssen. Der Ärger schimmerte am vergangenen Dienstag im Bundestag durch, als er in der Haushaltsdebatte anmerkte, dass elf von 28 EU-Staaten noch nicht einmal "das Grundgesetz der Bankenunion" umgesetzt hätten. "Solange die das nicht umsetzen, sollten wir nicht über neue Regeln zur weiteren Vertiefung reden", sagte er.

Schäuble: keine FTT in der Euro-Zone

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält es für ausgeschlossen, dass die Finanztransaktionssteuer (FTT) weltweit oder europaweit eingeführt werden kann. "Wir haben global keine Chance", sagte er am Freitag zum Abschluss der Haushaltsberatungen in Berlin. "Wir haben noch nicht einmal in der Euro-Zone eine Chance", fügte er hinzu. "Und auch über die verstärkte Zusammenarbeit ist es sehr schwierig".

Schäuble erteilte die klare Absage an die Finanztransaktionssteuer unmittelbar vor seiner Weiterreise nach Luxemburg, wo sich am Abend die Finanzminister der 19 Euro-Länder und am Samstag alle 28 EU-Finanzminister zu informellen Beratungen trafen. Die Finanztransaktionssteuer stand nicht auf der offiziellen Agenda. Am Samstagmorgen aber sollten sich die Ressortchefs der elf Euro-Länder, die grundsätzlich bereit sind, eine Steuer auf Finanzumsätze einzuführen, separat treffen, um an einer Einigung zu arbeiten.

Steuerentscheidungen müssen in der EU einstimmig getroffen werden. Weil aber eine Reihe von Ländern die FTT ablehnt, versuchen einige willige Staaten seit fast vier Jahren, diese über eine verstärkten Zusammenarbeit einzuführen, neben Deutschland noch Frankreich, Italien, Belgien, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien, Estland, die Slowakei und Griechenland. Allerdings liegen die Vorstellungen, welche Finanzprodukte, also Aktien, Derivate oder Versicherungen, wie hoch und mit welchen Ausnahmen besteuert werden sollen, auch unter den elf Willigen so weit auseinander, dass keine sinnvolle Einigung absehbar ist. Cerstin GAmmelin

Schäuble will nicht über das Euro-Budget reden

Was Schäuble als Grundgesetz der Bankenunion bezeichnet, ist die "Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten", kurz BRRD. Darin ist festgelegt, dass die 28 europäischen Mitgliedstaaten ihre Regelungen für die Sanierung und Abwicklung von Banken harmonisieren mit dem Ziel, dass europaweit die gleichen Vorschriften gelten. Erst wenn das geschafft ist, will Schäuble auch über die ebenfalls in Junckers Plan enthaltene Vergemeinschaftung der nationalen Einlagensicherung reden.

"Wir können nicht das Risiko von Steuerzahlern eines Landes zu denen der anderen Ländern schieben", sagte Schäuble im Bundestag. Am Samstag will er in Luxemburg deshalb nicht über ein Euro-Budget reden oder einen Euro-Finanzminister, sondern über die Umsetzung des Grundgesetzes der Bankenunion. Schäuble reist mit Forderungen an, die unter der Überschrift "Die Währungsunion braucht eine stärkere Bankenunion, aber sie muss richtig gemacht sein" summiert sind.

Schäuble dringt darauf, die Risiken des Banksektors von denen der Staatsfinanzierung zu trennen. Konkret sollen Banken nicht angehalten werden dürfen, Staatsanleihen des Heimatstaates aufzukaufen, um die Refinanzierungskosten der Regierung zu senken. Staatsanleihen sollen deshalb künftig besichert werden. Mit dieser Forderung war Berlin bereits vor einigen Jahren gescheitert.

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SZ vom 12.09.2015
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