Finanzmarkt:Sparsam in der Krise

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Immer mehr Banken streichen Boni und verzichten auf milliardenschwere Dividenden - das finden nicht alle Beteiligten gut. Die Europäische Bankenaufsicht EBA drängt angesichts der neuen Risiken allerdings ebenfalls auf Sparsamkeit.

Von Björn Finke, Alexander Mühlauer und Meike Schreiber, London/Frankfurt/Brüssel

In der Nacht zum Mittwoch kam es in Großbritannien zu einer konzertierten Aktion. Die fünf größten Banken des Landes beugten sich dem Druck der Aufseher und teilten mit, dass sie wegen der Corona-Krise in diesem Jahr auf milliardenschwere Dividendenzahlungen verzichten. Bis zuletzt hatte die zuständige Regulierungsbehörde der Bank of England darauf gedrängt, diesen Schritt zu gehen. Und damit nicht genug. Die Notenbank forderte die Institute auch noch dazu auf, von Bonuszahlungen an Führungskräfte abzusehen. Stattdessen sollen sie "den Bedürfnissen von Unternehmen und Haushalten dienen", die an den Folgen des Coronavirus leiden.

Nach dem Willen der Bank of England sollen die Institute also ihren Teil dazu beitragen, Tausende Firmen vor der Pleite zu bewahren und auch all jene Bürger mit Krediten zu unterstützen, die um ihre Jobs bangen müssen. Doch die Entscheidung, keine Dividenden auszuschütten, missfiel natürlich den Aktionären: So gaben die Aktienkurse der Banken HSBC, Barclays, Lloyds, Standard Chartered und der Royal Bank of Scotland am Mittwoch zeitweise zwischen sechs und zehn Prozent nach.

Die fünf größten britischen Geldhäuser hatten bereits angekündigt, in den nächsten beiden Monaten insgesamt 7,5 Milliarden Pfund (8,4 Milliarden Euro) an Dividenden auszuschütten. Barclays wäre an diesem Freitag mit mehr als einer Milliarde Pfund als erstes an der Reihe gewesen. Mitte April wollte dann eigentlich Europas größte Bank HSBC mehr als drei Milliarden Pfund an ihre Aktionäre auszahlen. Doch daraus wird nun nichts. Zuvor hatten auch die Bankenaufseher der EZB die Geldhäuser aufgefordert, wenn möglich die Dividenden einzubehalten. Zahlreiche Institute folgten dem Aufruf, darunter die Commerzbank. Einige Institute halten aber dennoch daran fest, zum Beispiel die Aareal Bank oder die Apotheker- und Ärztebank (Apobank). Auch die Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse rücken von ihren Dividendenplänen derzeit nicht ab.

Die Institute sollen ihr Kapital zusammenhalten, damit sie weiter Kredite vergeben können

Die Europäische Bankenaufsicht EBA drängt ebenfalls auf Sparsamkeit. Die Pariser EU-Behörde koordiniert die Arbeit der nationalen Bankenkontrolleure in Europa, etwa der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Die EBA forderte nun auch, dass die nationalen Aufseher die Vergütungspolitik ihrer Finanzinstitute unter die Lupe nehmen. Die Bezahlungssysteme sollten "im Einklang mit solidem und wirksamem Risikomanagement stehen" und "die jetzige wirtschaftliche Lage widerspiegeln". Insbesondere die variablen Vergütungen, also Boni, "sollten auf einem konservativen Niveau festgesetzt werden". Boni könnten auch aufgeschoben und mehr in Aktien und weniger als Baranteil gezahlt werden.

Zudem rief die EU-Behörde weltweit tätige Bankenkonzerne auf, sich vor allem auf das Geschäft im Heimatland und in Europa zu konzentrieren. Die Konzerne sollten ihr Kapital entsprechend verteilen. Die EBA betonte, dass Banken die Kapitalerleichterungen, die Aufseher wegen der Pandemie gewährt haben, nutzen sollten, um Firmen und Privatpersonen mehr Darlehen zu gewähren, und nicht, um Dividenden zu erhöhen oder Aktien zurückzukaufen. Auch die EZB empfiehlt den Banken eine starke Mäßigung bei Bonuszahlungen. Sven Giegold, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, begrüßte die Ankündigungen: "Es ist erfreulich, dass die EBA nicht nur Dividenden und Aktienrückkäufe, sondern auch variable Vergütung ins Visier nimmt."

Der Boni-Aufruf verfing zumindest bei den großen Banken der beiden von Corona besonders getroffenen Länder Spanien und Italien. Am Montag kündigte die spanische BBVA an, dass 300 ihrer leitenden Manager keine Sondervergütungen für 2020 in Anspruch nehmen. Am Dienstag schloss sich auch die italienische Unicredit an. Für 2019 haben die Banken ihre Boni gerade erst überwiesen. Diese Zahlungen können sie nicht zurückfordern. Bei der Deutschen Bank gibt es dem Vernehmen nach ebenfalls Gespräche über Bonuskürzungen, aber noch keine Entscheidung. Zudem gebe es eine "breite" Debatte darüber, wie das Geldhaus seiner Verantwortung auch anderweitig gerecht werde. So hat die Bank 375 000 Schutzmasken gespendet. Stephan Szukalski von der Bankgewerkschaft DBV lehnt Bonuskürzungen auf breiter Front ohnehin ab. Sie könnten vor allem die einfachen Beschäftigten treffen, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg. "Wir sind gegen einen generellen Bonusschnitt, denn beim Bonuspool geht es nicht nur um Mitarbeiter mit sehr hohen Gehältern." 2019 hatte die Deutsche Bank immerhin noch 1,5 Milliarden Euro an Boni bezahlt.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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