Süddeutsche Zeitung

Finanzmarkt:EZB-Direktor gibt Hedgefonds exklusive Informationen - aus Versehen

Lesezeit: 2 min

Von Markus Zydra

Es sollte an diesem Montagabend ein nettes und vertrauliches Tête-à-Tête zwischen Notenbankern und Teilen der angelsächsischen Finanzelite werden. Der Ort: ein Luxushotel in London. Anwesend war EZB-Direktor Benoît Cœuré, hinter EZB-Präsident Mario Draghi der zweitmächtigste Mann von Europas Währungshütern. Dazu gesellten sich Banker aus der Londoner City und einige berühmte Hedgefonds-Manager, denen eine gewisse kaltschnäuzige Intelligenz nachgesagt wird.

Der Franzose Cœuré gab sich gesprächig und teilte den Gästen eine nicht ganz unwichtige Neuigkeit mit: Die EZB werde in den Monaten Mai und Juni mehr Staatsanleihen der Eurozone kaufen als bislang geplant. So wolle man die erwartete Angebotsflaute schon im vorhinein ausgleichen. Man befürchtet, im Sommer ansonsten nicht das Soll zu erreichen. Dazu muss man wissen: Die EZB kauft seit März jeden Monat Staatsanleihen im Wert von 60 Milliarden Euro - insgesamt sollen bis September 2016 mindestens 1,1 Billionen Euro in das Finanzsystem gepumpt werden. So möchte die Notenbank Europas Wirtschaft ankurbeln. An dieser Gesamtsumme soll auch nicht gerüttelt werden - doch die Gewichtung der Käufe soll für zwei Monate verschoben werden.

Wer in den 14 Stunden einen Reibach gemacht hat, wird vermutlich nie bekannt

Diese Nuance mag dem Laien herzlich egal sein. Für Geldprofis ist das eine wichtige Information, auf deren Basis man Profit machen kann. Besonders gewinnträchtig wird die Situation, wenn nur wenige Spekulanten über solche Pläne der EZB Bescheid wissen.

So war es in diesem Fall. Die gewieften Hedgefonds-Manager saßen plötzlich auf heißen Informationen, und es liegt nahe, dass sie diese sofort, noch am Montagabend, durch entsprechende Handelsgeschäfte verwertet haben. Das ist eigentlich eine Form von Insiderhandel, doch die politisch umstrittenen Spekulanten haben nur das getan, was man von ihnen erwarten durfte. Die EZB hätte die Rede von Cœuré eigentlich zeitgleich auf der Internetseite der Notenbank veröffentlichen müssen, um so den gesamten Finanzmarkt zu informieren. Chancengleichheit für alle. Doch das geschah erst 14 Stunden später am nächsten Morgen. Eine interne Panne, wie es heißt.

Es wird ein Geheimnis bleiben, wer in diesen Stunden wie viel Reibach verbuchen konnte, doch Cœurés Ankündigung erzeugte eine gehörige Welle. Der Euro verlor in einem extrem hektischen Handel am Dienstag in dieser kurzen Zeit gegen den US-Dollar fast zwei Cent. An den effizienten Devisenmärkten kommt das einem Crash gleich.

Für die EZB ist der Vorfall peinlich, hält man sich dort doch stets zugute, die Finanzmärkte gut und umfassend zu informieren. Die starken Preisschwankungen vom Dienstag haben die Kosten für Absicherungsgeschäfte am Devisenmarkt, die viele Unternehmen nutzen, erhöht. Insgesamt zeigt sich aber auch, wie nervös die Finanzmärkte sind. Zuletzt waren auch die Kurse für Staatsanleihen binnen kurzer Zeit so stark gefallen wie selten zuvor.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2486736
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.05.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.