Finanzmarkt:"Die Marktwirtschaft verliert an Rückhalt"

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Die Deutsche Bank leidet unter der Geldpolitik der EZB. Auch die Sparer spüren die Nullzinsen, es sei denn, sie können in Aktien investieren. (Foto: Peter Juelich/Bloomberg)

Deutsche-Bank-Chef Sewing klagt über gesellschaftliche Folgen der Geldpolitik.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Je näher die Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) rückt, desto lauter ertönt die Kritik der Banker an einer weiteren Zinssenkung. "Die Niedrigzinsen ruinieren langfristig das Finanzsystem", sagte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing am Mittwoch auf einer Konferenz des Handelsblatts. Zwar werde die Zinssenkung die Refinanzierung für Staaten verbilligen, sie werde aber "gravierende Nebenwirkungen" haben. "Die wenigsten Ökonomen jedenfalls glauben, dass billigeres Geld auf diesem Niveau noch irgendetwas bewirken könnte", sagte Sewing. Dazu passe auch, was das Geldhaus von seinen Kunden höre: "Mittelständler sagen mir klipp und klar: Wir werden keinen Euro mehr investieren, nur weil der Kredit noch ein weniger billiger wird".

Genau das aber wird die EZB auf ihrer nächsten Sitzung am 12. September wohl anstoßen. Wahrscheinlich wird die Zentralbank den Zins, den Geschäftsbanken für Einlagen bei ihr bezahlen müssen, weiter senken. Derzeit liegt dieser "Strafzins" bei minus 0,4 Prozent. Auch von Commerzbank-Chef Martin Zielke kam daher Kritik: "Ich halte das auch für keine nachhaltige, verantwortungsvolle Politik".

Mit den Niedrigzinsen gehen nach Ansicht von Deutsche-Bank-Chef Sewing Umverteilungseffekte einher, die jene begünstigten, die verschuldet oder in Vermögenswerte investiert haben. Sparer hingegen würden besonders belastet. Und damit stiegen seiner Ansicht nach auch die politischen Risiken. Schon heute seien viele Menschen mit dem System an sich unzufrieden. "Die Marktwirtschaft verliert weltweit an Rückhalt", sagte Sewing. Zugleich aber erteilte er einer Vermögenssteuer, wie sie die SPD vorgeschlagen hat, eine Absage: "Ein Fehler lässt sich nicht durch den anderen kompensieren". Auf die Rolle der Finanzkrise als wohl wichtigste Ursache für das sinkende Vertrauen der Menschen in die Marktwirtschaft ging Sewing hingegen mit keinem Wort ein.

Nicht alle Teilnehmer der Konferenz stimmten in die Klage über die Geldpolitik mit ein. Markus Braun, Chef des Aschheimer Dax-Konzerns Wirecard, hält es für eine Chance, "dass nun immer mehr Menschen in Aktien investieren", weil sie auf dem Tagesgeldkonto keine Zinsen mehr bekämen. Als Unternehmer müsse man sich mit dem Zinsniveau arrangieren.

Laut Larry Fink, Chef des US-Fondsriesen Blackrock, sind die Europäer vielmehr ein Stück weit selbst schuld daran, dass sie die Niedrigzinsen derart treffen. "Die negativen Zinsen schaden der großen Mehrheit der Verbraucher, weil sie ihr Geld auf Bankkonten liegen haben", sagte Fink. Es sei "total verrückt", sein Geld nicht in Aktien anzulegen, so Fink, dessen Unternehmen allerdings unter anderem mit dem Verkauf von Aktienfonds Geld verdient.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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