John Cryan, der Chef der Deutschen Bank, meidet die Öffentlichkeit, seit er im vorigen Sommer an die Spitze des Geldhauses gerückt ist. Doch am Mittwoch machte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos eine Ausnahme - und überraschte die Öffentlichkeit mit einer kühnen Prognose: "In zehn Jahren wird es keinen Bedarf für Bargeld mehr geben. Cash ist als Zahlungsmittel unglaublich ineffizient und teuer", sagte er in einer Podiumsrunde, an der auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, und andere führende Vertreter der Finanzindustrie teilnahmen. Cryan meint, dass Noten und Münzen völlig verschwinden und durch elektronische Zahlungsmittel ersetzt werden. "Bargeld wird vollkommen dematerialisiert. Wir haben genug verlässliche Technologien, die seine Rolle übernehmen können", sagte der Brite.
In der Finanzwelt gibt es zu dieser Frage schon länger eine Debatte. Doch wenige Bankmanager haben sich bisher mit konkreten Prognosen über das Ende des Bargelds hervorgewagt. Cryan verwies im Anschluss an die Debatte darauf, dass der amerikanische Notenbank-Chef Paul Volcker mal gesagt habe: Die einzige sinnvolle Innovation, die die Bankenwelt in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht habe, sei der Geldautomat. Warum solle man, so Cryan, immer noch zum Geldautomat laufen und dort umständlich Bargeld ziehen, wenn man all seine Zahlungen auch elektronisch abwickeln könne.
Auch Dan Schulman, Chef des Online-Bezahldiensts Paypal, äußerte in der Diskussion mit Cryan die Erwartung, dass das Bargeld über kurz oder lang verschwinden werde. Er verwies aber darauf, dass heute noch 85 Prozent aller Zahlungen bar abgewickelt würden: "Es ist noch ein verdammt langer Weg, bis Bargeld ganz verschwinden wird." IWF-Chefin Christine Lagarde rechnet damit, dass auch virtuelle Währungen wie Bitcoin in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen werden.