Finanzmärkte:Angst vor Athen

Greek stock index plunges in Athens

Griechische Aktien im freien Fall: Szene aus Athen am 28. Januar 2015

(Foto: dpa)
  • Griechenlands neuer Premier Tsipras macht Reformen der Vorgängerregierung rückgängig.
  • An den Finanzmärkten macht sich Sorge darüber breit. Die Aktienkurse sinken dramatisch.
  • Viele griechische Banken sind bereits abhängig von Krediten der Zentralbank. Die müssen von der EZB genehmigt werden. Kommende Woche diskutiert die EZB, ob das Programm verlängert wird.

Analyse von Frank Müller und Markus Zydra, Frankfurt

Es gibt ja immer wieder nachvollziehbare Kritik am Geschäftsgebaren der Spekulanten an den internationalen Finanzmärkten. Doch eine nützliche Eigenschaft kann man den Börsen nicht absprechen: Die Händler sind gute Seismografen. Sie spüren schneller als manch anderer, wenn Dinge dabei sind, sich radikal zu verändern. Diese Sensibilität hat ihren guten Grund. Börsianer haben Angst, viel Geld zu verlieren. Deshalb reagieren sie hektisch. Es kommt zu Panik.

Der Regierungswechsel in Griechenland hat die Finanzmärkte aufgeschreckt, weil der neue griechische Premierminister Alexis Tsipras einen "radikalen Wandel" ankündigte und von den Geldgebern in Europa einen Schuldenerlass fordert. Gleichzeitig möchte er entlassene Beamte wieder einstellen und Mindestrenten und Mindestlohn aufstocken.

Das irritiert viele in Europa. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) fordert nun sogar, anstehende Notkredite an das Land nicht zu überweisen, solange sich Tsipras nicht zu einer aus seiner Sicht nötigen Politik verpflichtet. "Ohne Reformen kein Geld", sagte Söder der Süddeutschen Zeitung. Bereits die 1,8 Milliarden Euro an Krediten sollten nicht ausgezahlt werden, die eigentlich Ende Februar für Griechenland bereitgestellt werden sollten. "Tsipras darf nicht zur Blaupause für Populisten in Europa werden." Ein Schuldenerlass für Griechenland komme erst recht nicht in Frage. "Das wäre ein Nährboden für radikale und populistische Parteien in ganz Europa", sagte Söder. "Die ökonomischen Auswirkungen wären dann wahrscheinlich sogar schlimmer als ein Grexit", also der Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone. Die Börsen sehen Tsipras ebenfalls skeptisch.

Staatspleite wird wahrscheinlicher

So begeistert dessen Anhänger über dessen innenpolitisch natürlich sehr populären Pläne auch sein mögen: Die Börsen machen da nicht mit. Sie sind sicher: Da möchte einer mehr ausgeben, als er hat.

Der Athener Leitindex ASE ist deshalb in den letzten Tagen um knapp 20 Prozent eingeknickt. Noch viel stärker fiel der Preisverlust bei Bankaktien aus. Gleichzeitig sind die Kreditkosten für das Land deutlich angestiegen: Tsipras' Regierung müsste nun für eine Staatsanleihe mit zehn Jahren Laufzeit gut elf Prozent Zins bezahlen - vor einigen Tagen waren es noch 8,5 Prozent.

Die Finanzmärkte gehen davon aus, dass eine Staatspleite Griechenlands nun wahrscheinlicher ist als vor den Parlamentswahlen. Die Regierung muss in diesem Jahr einige Kredite in Milliardenhöhe zurückzahlen. Doch die Steuereinnahmen sind trotz des leichten Wirtschaftsaufschwungs weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Es drohen neue Haushaltslöcher. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's droht nun, die Kreditwürdigkeit Griechenlands weiter herabzustufen. Dabei gelten die Staatsanleihen Athens in Geberkreisen schon jetzt als "Ramsch".

Gewachsenes Misstrauen lässt sich leicht erkennen

Man kann das gewachsene Misstrauen der Geldgeber an der Preisentwicklung der sogenannten Credit Default Swaps (CDS) ablesen. Mit diesen umstrittenen Kreditausfallversicherungen können sich Investoren gegen mögliche Verluste absichern. Ein Beispiel: Um den Ausfall einer fünfjährigen griechischen Staatsanleihe in Höhe von zehn Millionen Dollar mit einem CDS zu versichern, muss der Investor nun 1,7 Millionen Dollar Prämie pro Jahr bezahlen. Vor einer Woche lag der Versicherungsbeitrag noch bei 1,2 Millionen Dollar.

Die verstörenden Ereignisse an den Börsen erinnern an die turbulenten Wochen und Monate der Jahre 2011/2012, als die drohende Pleite Griechenlands den Zusammenhalt der gesamten Euro-Zone gefährdete. Heute ist die Finanzstabilität der Euro-Zone deutlich größer. Das zeigt sich daran, dass die Aktienmärkte außerhalb Griechenlands steigende Kurse verzeichnen.

Lage für griechische Banken ist ernst

Dabei sind die aktuellen Entwicklungen in Athen für das Land genauso brisant wie damals - doch die Stabilität des internationalen Finanzsystems bleibt davon derzeit noch unberührt.

Für griechische Banken ist die Lage besonders ernst. Es gibt Berichte, dass Reiche ihr Vermögen ins Ausland überweisen. Auch beginnen Bürger, Euro abzuheben, um das Bargeld zu horten. Der Geldabfluss zeugt von der Furcht, Griechenland könnte den Euro-Raum verlassen oder aber Kapitalverkehrskontrollen einführen. Den Banken fehlt dadurch Geld. Die vier größten griechischen Institute erhalten bereits Notfallkredite seitens der griechischen Notenbank. Diese sogenannte Emergency Liquidity Assistance (ELA) muss von der Europäischen Zentralbank (EZB) genehmigt werden. Am Mittwoch trifft sich der EZB-Rat, um eine Verlängerung der Hilfen zu diskutieren.

Noch akzeptiert die EZB Staatsanleihen als Sicherheit für Kredite

Die EZB steckt bei dieser Frage in einer Zwickmühle: Einerseits soll sie als Zentralbank dem griechischen Finanzsektor helfen. Andererseits ist die EZB seit November 2014 auch oberster Bankenaufseher in Europa. Die EZB-Aufseher prüfen, ob griechische Banken nur klamm oder aber insolvent sind. Bei Insolvenz muss die EZB ihre Hilfen einstellen. Die Institute müssten restrukturiert oder abgewickelt werden. Das Problem: Griechische Banken haben enorm viele griechische Staatsanleihen gekauft, die an den Finanzmärkten als "Ramsch" eingestuft werden. Noch akzeptiert die EZB diese Staatsanleihen als Sicherheit für frische Kredite. Das gilt aber nur solange, wie sich Griechenland an die Vereinbarungen aus dem Anpassungsprogramm hält, in dem die 240 Milliarden Euro Rettungshilfen gebündelt wurden.

Tsipras' Regierung möchte raus aus dem Programm. Dann müsste die EZB die Refinanzierung griechischer Banken eigentlich stoppen und die Abwicklung der insolventen Banken einleiten.

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