Finanzkrise trifft Automobilindustrie:50.000 Jobs auf der Kippe

Erst trifft es die Autohersteller, dann die Zulieferer: Zigtausende Jobs könnten infolge der Finanzkrise in Gefahr geraten - Firmenpleiten nicht ausgeschlossen.

Die Absatzkrise der Autohersteller trifft mit voller Wucht die rund 850 Autozulieferer in Deutschland und lässt die einstige Vorzeigebranche - den Automobilbau - weiter schwächeln. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet einen Abbau von bis zu 50.000 Jobs. Zahlreiche Unternehmen könnten auch pleitegehen, sagte Dudenhöffer der Bild-Zeitung. Sein Vorschlag: Ein Kreditprogramm der Bundesregierung muss her.

Finanzkrise trifft Automobilindustrie: Blick in die Produktion beim Autozulieferer Bosch: Kommt zum Weihnachtsfest die Kurzarbeit?

Blick in die Produktion beim Autozulieferer Bosch: Kommt zum Weihnachtsfest die Kurzarbeit?

(Foto: Foto: dpa)

"Gibt es kein Kreditprogramm der Regierung für die Autozulieferer, gehen in den nächsten zwei Jahren bis zu 20 Prozent der Autozulieferer in Konkurs", sagte Dudenhöffer der Zeitung. Umgerechnet sind das bis zu 50.000 Stellen. Derzeit sind in der direkten Zulieferindustrie rund 350.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Dudenhöffer forderte die Bundesregierung auf, ein Kreditförderprogramm speziell für die Zulieferindustrie aufzulegen. Die Firmen hätten es wegen der Finanzkrise und des Absatzeinbruchs besonders schwer, an neue Bankkredite zu kommen, argumentierte der Branchenexperte.

Warnende Worte aus Brüssel

Mit Blick auf die internationale Finanzkrise warnt auch EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) vor einem Stellenabbau in der europäischen und deutschen Automobilindustrie. "Die Automobilindustrie erlebt einen Einbruch wie seit vielen, vielen Jahren nicht mehr", sagte Verheugen der Neuen Presse. Er schätze die Lage als außerordentlich bedrohlich ein. "Wir befinden uns in einem tiefen Tal. Wenn wir das nicht schnell hinter uns lassen, wird massiver Stellenabbau unausweichlich."

Um der Branche zu helfen, brauche sie "unsere Rückendeckung und sehr konkrete Hilfe, um die Nachfrage nach Neufahrzeugen wieder anzukurbeln", sagte der SPD-Politiker. Nicht nur die Finanzkrise führt seiner Ansicht nach zur Kaufzurückhaltung. "Kunden und Hersteller sind aber auch deshalb verunsichert, weil die Politik beim Thema CO2 keinen klaren Kurs fährt."

Beim Kauf eines Autos wisse heute niemand, mit welchen Steuern und Grenzwerten er rechnen müsse. Das lähme die Nachfrage. Europäischer Rat und Europaparlament sollten schnell Rechtssicherheit für die Automobilindustrie schaffen, forderte Verheugen.

Bosch denkt über Kurzarbeit nach

Unterdessen erwägt der Stuttgarter Autozulieferer Bosch wegen einer Auftragsflaute noch für dieses Jahr Arbeitszeitverkürzungen und Kurzarbeit. Ein Bosch-Sprecher sagte den Stuttgarter Nachrichten laut Vorabbericht, bereits seit geraumer Zeit liefen Gespräche mit dem Betriebsrat, um neben dem Abbau von Überstunden auch diese beiden Möglichkeiten des Tarifvertrags zur Beschäftigungssicherung nutzen zu können.

Das Blatt schrieb, anders als beim Abbau von Überstunden wirkten sich die Verkürzung der Arbeitszeit und Kurzarbeit auch auf das laufende Gehalt der Mitarbeiter aus. Das Unternehmen habe nach dem Tarifvertrag die Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 30 Stunden zu verkürzen. Reiche das nicht aus, könne der Arbeitgeber in Abstimmung mit dem Betriebsrat die Arbeitszeit noch weiter verkürzen und für die Mitarbeiter Kurzarbeitergeld bei der Arbeitsverwaltung beantragen.

Der Bild-Zeitung zufolge erwägt Bosch längere Weihnachtspausen an mehreren Standorten. Darüber hinaus würden einige hundert befristete Arbeitsverträge nicht mehr verlängert.

Bosch leidet nicht nur unter der allgemeinen Autokrise, sondern auch unter dem sinkenden Marktanteil der Autos mit Dieselmotor. Der Grund: Der Preis für Diesel ist stärker gestiegen als der für Normalbenzin. Und obwohl Dieselmotoren in der Regel nach wie vor sparsamer sind als Benziner, wenden sich Autokäufer vom Diesel ab.

"Die Lage ist ernst"

Auch andere Zulieferer rüsten sich gegen die Absatzschwäche der Autoindustrie. Bei Continental in Hannover hat man bemerkt, dass sich die Situation in den vergangenen Tagen "verschärft" habe, wie eine Sprecherin sagt. Conti reagiert: "In den Werken wird die Produktion bis Ende des Jahres entsprechendder Auftragsrückgänge angepasst", sagt die Sprecherin auf Anfrage von sueddeutsche.de.

Was das konkret bedeutet, steht noch nicht fest. Betriebsferien, Produktionspausen, Jobabbau bei den Leiharbeitern - alles möglich. In welchem Werk Maßnahmen erforderlich seien, werde derzeit geprüft, sagte die Sprecherin. Beschlossen sei jedoch noch nichts.

Auch das Management ZF in Friedrichshafen ist alarmiert. "Die Lage ist ernst", sagte ein Sprecher zu sueddeutsche.de. Auch ZF will Überstunden stoppen, Gleitzeit abbauen Werksferien verlängern. Welche der 30 Standorte betroffen sein wird, steht noch nicht fest. Fakt ist nur, dass ZF auf die schwächelnde Autoindustrie reagieren wird. "Wenn unsere Kunden nichts produzieren, produzieren wir auch nichts", sagte der Sprecher. Für das Lager werde nicht gearbeitet.

Continental hat immerhin eine konkrete Maßnahme ergriffen. Der Zuliefererkonzern spart neuerdings bei den Dienstreisen. Man setze stärker auf Telefon- und Videokonferenzen, erklärte die Sprecherin - und fügte hinzu: "Wir sparen auch im Kleinen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: