Finanzkrise:Legt die Banken an die Kette

Was sollte die Welt aus der Finanzkrise lernen? Ein Konsens deutet sich an.

Von Thomas Fricke, Mitarbeit: Sofia Velasco, Berlin

Acht Jahre ist es in diesem Juli her, dass das große Beben erst die Finanzwelt und später auch den Rest der Weltwirtschaft zu erschüttern begann. Es folgten Rezessionen und Notprogramme, Banken wurden verstaatlicht und Zinsen immer weiter gesenkt. Noch heute sind die Folgen spürbar - ob über Nullzinsen, immer neue Notinterventionen von Notenbanken, gefährliche Aktienhöhenflüge oder Schuldenschocks. Müssten die Notenbanker Geld wieder verteuern, die Zinsen nur kräftig anheben? Oder macht das alles nur noch schlimmer? Die Antworten der Experten scheinen acht Jahre nach Ausbruch der Krise allmählich erst Konturen anzunehmen. Das zeigt die große Umfrage unter deutschsprachigen Ökonomen, die das Internetportal WirtschaftsWunder in Kooperation mit dem Verein für Socialpolitik für die Süddeutsche Zeitung ausgewertet hat.

Als die Krise im Sommer 2007 losging, beschäftigten sich die Topexperten in Deutschland noch mit dem damaligen Topthema Arbeitsmarkt. Es gab Forschungsinstitute, die gerade ihre Finanzmarktabteilung geschlossen hatten - mangels Relevanz. Und in den gängigen Modellen der Ökonomen spielte kaum eine Rolle, was Hedgefonds und andere auf den Finanzmärkten trieben. Entsprechend hilflos wirkte die Zunft in den ersten Jahren nach Ausbruch der Krise.

Wie sehr die Experten selbst heute noch auf der Suche sind, zeigt sich beim Krisenbefund. Über die Kernursache gibt es nach wie vor keinen wirklichen Konsens unter Deutschlands Ökonomen. Rund 45 Prozent der Wissenschaftler sehen in der Krise vor allem ein Versagen des Marktes, knapp 46 Prozent dagegen ein Scheitern der Politiker, vor allem von Notenbankern, die zu viel billiges Geld produzierten. Drei von vier Ökonomen halten das Urteil für mehr oder weniger gerechtfertigt, dass Spekulation an den Finanzmärkten zu mehr Instabilität führt, anders als es lange Zeit in den Lehrbüchern stand - und immer noch steht.

Was die Krise lehrt, hat praktische Folgen für jeden. War es vor der Krise noch gang und gäbe, den Menschen zur Altersvorsorge sorglos mutige Finanzanlagen zu empfehlen, scheint der Glaube daran brüchig geworden zu sein. Mehr als 40 Prozent der Ökonomen sagen in der Umfrage in diesem Frühjahr, die Empfehlung einer solchen Kapitaldeckung der Rente sei wegen der Krise zu "relativieren". Vor fünf Jahren lag der Anteil derer, die auf Riester und Co schworen, noch bei 57,4 Prozent.

Immerhin hält es eine Mehrheit der Experten für möglich, Finanzblasen und anschließende Crashs künftig zu verhindern. Nur 19 Prozent halten es mit der alten Weisheit, solche Spekulationswirren gehörten zur freien Finanzwelt eben dazu. Der Rest sieht das optimistischer. Nur gut ein Fünftel würde die Aufgabe, Exzesse an den Finanzmärkten zu verhindern, an die Notenbanken delegieren. Die Währungshüter sollten sich lieber unverändert auf den Kampf gegen Inflation in der realen Welt konzentrieren, also bei den Verbraucher- statt bei den Vermögenspreisen. Fast jeder zweite Befragte plädiert dafür, dass es besser eine eigene unabhängige Institution geben sollte, eine Art Risiko-Agentur, die allein darüber wacht, ob in Finanzmärkten gefährlich übertreiben oder nicht.

Bei den Rezepten gegen die Krise zeichnet sich ein zarter Konsens ab. Die Zinsen zu erhöhen, gehört aber nicht dazu. Denn: Das würde auch jene treffen, die einen Kredit brauchen, um ein Unternehmen zu gründen oder ein Haus zu bauen. Mehr als die Hälfte der Ökonomen plädiert stattdessen dafür, das Problem über die Regulierung der Banken zu lösen - und von den Geldhäusern zum Beispiel deutlich mehr Rücklagen einzufordern, damit sie mit dem Geld erst gar nicht spekulieren können. Ob es den Banken deshalb gleich ganz verboten werden sollte, über Kreditvergabe fast unbegrenzt Geld schaffen zu können, sehen die meisten der Wirtschaftswissenschaftler allerdings skeptisch. Eine solch radikal neue Geldordnung fordert etwa der frühere Chefökonom der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Doch nicht einmal zwei Prozent der Kollegen fänden das gut. Immerhin jeder fünfte deutsche Ökonom hält es allerdings für sinnvoll, über so etwas einmal nachzudenken. Eine Branche im Umbruch.

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