Finanzkrise:Angst vor der Pleitewelle

Finanzinvestoren haben in Deutschland Hunderte Firmen gekauft: Jetzt erwarten Fachleute, dass bis zu ein Viertel der betroffenen deutschen Unternehmen ihre Schulden nicht bedienen können.

M. Hesse

Wenn sich Finanzinvestoren von diesem Montag an in Berlin zu ihrem jährlichen Weltgipfel "Super Return", also: Supergewinn, treffen, dürfte die Stimmung so düster sein wie schon lange nicht mehr. Den erfolgsverwöhnten Firmenkäufern gelingen kaum noch neue Übernahmen, sie müssen ihre Geldgeber besänftigen.

Finanzkrise: Ein Mitarbeiter von ATU Auto-Teile-Unger in Weiden montiert Reifen: Die Werkstattkette will etwa 650 Beschäftigte entlassen. Sie gehört den beiden Finanzinvestoren KKR und Doughty Hanson und ist hoch verschuldet.

Ein Mitarbeiter von ATU Auto-Teile-Unger in Weiden montiert Reifen: Die Werkstattkette will etwa 650 Beschäftigte entlassen. Sie gehört den beiden Finanzinvestoren KKR und Doughty Hanson und ist hoch verschuldet.

(Foto: Foto: ddp)

Doch auch die Beschäftigten ihrer Unternehmen werden jedes Signal aus Berlin aufmerksam verfolgen. Denn Firmen, die Beteiligungsgesellschaften gehören, dürften von der Rezession besonders stark betroffen sein. "Ein Viertel der deutschen Firmen, die im Besitz von Finanzinvestoren sind, könnten zu Restrukturierungsfällen werden", erwartet Volker Brühl, Bereichsvorstand für Unternehmensfinanzierung bei der WestLB.

Das heißt nicht unbedingt, dass sie pleitegehen. Aber sie brauchen neues Geld und müssen ihr Geschäft sanieren, etwa indem sie Bereiche verkaufen, Kosten senken und Stellen abbauen.

Finanzinvestoren haben in den vergangenen Jahren in Deutschland Hunderte Firmen gekauft. "Seit Oktober kommen jede Woche zwei bis drei Restrukturierungsfälle auf uns zu", sagt Heinrich Kerstien, Sanierungsexperte bei der Investmentbank Rothschild. Und die große Welle von - zum Teil sehr guten - Firmen, die auf dem Höhepunkt des Booms mit zu hohen Krediten übernommen worden seien, komme erst noch. "Firmen, die von einem Finanzinvestor aufgekauft wurden, sind in aller Regel höher verschuldet als andere", erklärt er.

Diese Schulden werden im Abschwung zum Problem. "Die Investoren gingen oft von Geschäftsplänen aus, die auf zu optimistischen Annahmen basierten, insbesondere in Anbetracht der Entwicklung der weltweiten Wirtschaft", sagt David Dreyfus von der Beratungsfirma Lilja & Co.

In einer Umfrage der Investmentbank Jefferies unter 150 Finanzinvestoren und Banken gaben auch jetzt noch mehr als die Hälfte der Investoren an, sie rechneten in ihren Firmen maximal mit einem Gewinnrückgang um zehn Prozent.

"Das liest sich wie Zweckoptimismus", sagt Martina Ecker, Geschäftsführerin bei Jefferies. Realistischer seien deutlich höhere Ergebnisrückgänge.

"Die meisten Pleiten wird es in der Autozulieferindustrie geben", erwartet Ecker. In dieser Branche gehört etwa ein Viertel der größeren Anbieter Beteiligungsgesellschaften. Insolvenz angemeldet hat bereits der Schallisolierungsspezialist Stankiewicz, den ein niederländischer Finanzinvestor 2006 übernommen hatte.

Das Magazin Finance berichtet, auch die Autozulieferer Edscha (Eigentümer ist der Investor Carlyle), Saargummi (Odewald & Cie) und Neumayer Tekfor (Barclays Private Equity) bräuchten von ihren Eignern frisches Geld.

Abschlag am Kreditmarkt

Ablesen lassen sich die Probleme der Firmen im Besitz von Finanzinvestoren auch am Kreditmarkt. Schulden von zahlreichen dieser Unternehmen werden mit Abschlägen von mehr als 50 Prozent gehandelt. Bei Edscha etwa lagen die Anleihenkurse in den vergangenen Wochen zeitweise unter 30 Prozent. Die Schuldscheine der Werkstattkette ATU werden zu ähnlichen Kursen gehandelt, obwohl die Eigentümer KKR und Doughty Hanson 2008 bereits einmal Geld nachschossen.

"Wenn Firmenkredite an den Märkten mit Kursabschlägen von mehr als 50 Prozent gehandelt werden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es zu Zahlungsproblemen kommen kann", sagt Rothschild-Fachmann Kerstien. Das muss allerdings nicht so sein. Der Handel mit Krediten ist derzeit dünn, auch Kurse solider Firmen stehen unter Druck.

Aber die Kursabschläge sind ein Hinweis darauf, dass es für die Firmen schwieriger und teurer wird, sich neues Geld zu besorgen. "Den Gläubigerbanken wäre es angesichts der eigenen Probleme am liebsten, wenn die Beteiligungsfirmen frisches Kapital einschießen", sagt Ecker. Doch viele Finanzinvestoren scheuten sich, schlechtem Geld gutes nachzuwerfen. "Andererseits besteht für Gesellschaften, die weiter in Deutschland investieren wollen, ein gewisses Reputationsrisiko."

Der ein oder andere große amerikanische Finanzinvestor dürfte sich aber in die USA zurückziehen und dann wenig Skrupel haben, deutsche Firmen fallenzulassen, wenn er keine Zukunft sieht, glaubt Ecker. Dagegen stecke in den mittelständischen Beteiligungsgesellschaften viel deutsches Geld, etwa von Versicherungen und Landesbanken. "Diese Investoren dürften sich eher scheuen, Unternehmen in die Insolvenz gehen zu lassen."

Manchen Eignern fehlen auch schlicht die Mittel, ihre Firmen zu stützen. "Für viele Beteiligungsgesellschaften wird es heiß, sie werden Firmen verkaufen müssen", erwartet Brühl. Jetzt werde sich zeigen, wer mehr kann, als mit geschickten Finanzierungstechniken in guten Zeiten Gewinne einzufahren.

Es gebe große Chancen für Investoren, die auf Sanierungen spezialisiert sind. Nur: Die meisten Investoren hätten diese Expertise eben nicht. "Daher werden eine ganze Reihe Beteiligungsgesellschaften von der Bildfläche verschwinden."

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