Süddeutsche Zeitung

Finanzindustrie:Deutsche Bank und Commerzbank sprechen über Fusion - trotz Widerstand

  • Die Deutsche Bank will mit der Commerzbank offizielle Gespräche über eine Fusion führen. Das bestätigten beide Unternehmen am Sonntag.
  • Das Vorhaben wird vor allem von der Bundesregierung forciert und ist extrem umstritten.
  • Befürworter erhoffen sich eine international wettbewerbsfähige Bank. Gewerkschafter fürchten den Abbau von Zehntausenden Jobs.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Deutsche Bank wird mit der Commerzbank nun auch offiziell über eine Zusammenlegung der Geschäfte sprechen - trotz des wachsenden Widerstands von Gewerkschaften und der Skepsis ihrer Großaktionäre. Beide Unternehmen bestätigten am Sonntag per Börsen-Pflichtmitteilung entsprechende Berichte. Ein Zusammenschluss der beiden größten börsennotierten deutschen Banken wird damit wahrscheinlicher.

"Wir werden ausschließlich wirtschaftlich sinnvolle Optionen verfolgen, mit denen wir an unsere Fortschritte von 2018 anknüpfen können", hieß es in einer Nachricht an die Mitarbeiter des Dax-Konzerns. Sewing versuchte darin, die Erwartungen zu bremsen. "Zum jetzigen Zeitpunkt steht keineswegs fest, ob es überhaupt zu einer Transaktion kommen wird", schrieb er. "Die Erfahrungen zeigen, dass es viele wirtschaftliche und technische Gründe geben kann, die einem solchen Schritt entgegenstehen können."

Die Fusion wird dem Vernehmen nach vor allem von der Bundesregierung forciert. Aber auch Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner sowie der US-Großaktionär Cerberus scheinen das Vorhaben zu treiben. Befürworter des Projekts hoffen vereinfacht gesagt, dass aus den zwei angeschlagenen Unternehmen durch die Fusion eine international schlagkräftigere Bank würde, die mehr Vertrauen an den Finanzmärkten genießt. Mehrere Großaktionäre, darunter der US-Fonds Blackrock und die Familie Al-Thani aus Katar, sind allerdings skeptisch. Sie fürchten, dass eine Fusion mit der Commerzbank die Probleme der Deutschen Bank nicht lösen würde.

Bereits vor einer Woche war durchgesickert, dass sich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing von seinen Vorstandskollegen ein Mandat für inoffizielle Gespräche mit Commerzbank-Chef Martin Zielke geholt hatte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte "Beratungen über die Situation" bestätigt. Die Bundesregierung sei ein "fairer Begleiter von privatwirtschaftlichen Diskussionen".

Bislang seien diese Gespräche aber gleichbedeutend mit "Geplänkel" gewesen, wie es ein Insider am Freitag formulierte. Die wesentlichen Probleme und Knackpunkte einer Bankenfusion seien noch längst nicht besprochen. Das sei erst nach Aufnahme offizieller Verhandlungen möglich.

Die Börsenregeln schreiben eigentlich vor, dass die Aufnahme von ernsthaften Gesprächen allen Aktionären per Pflichtmitteilung mitgeteilt werden muss. Da mehrere Nachrichtenagenturen am Sonntagmorgen schon zuvor darüber berichtet hatten, dürfte die Deutsche Bank einmal mehr gegen die sogenannten Ad-Hoc-Regeln verstoßen haben.

Bis zu 50 000 Jobs könnten wegfallen, fürchten Gewerkschafter

Die Gewerkschaft Verdi befürchtet im Fall eines Zusammenschlusses von Deutscher Bank und Commerzbank, die zusammen mehr als 130 000 Vollzeitkräfte beschäftigen, den Verlust Zehntausender Jobs. "Wir stehen einem solchen Szenario eher ablehnend gegenüber, denn eine solche Fusion würde erheblich Arbeitsplätze kosten", sagt der Verdi-Bundesfachgruppenleiter Banken, Jan Duscheck. "Im ungünstigsten Fall muss man wohl den Abbau von 30 000 Stellen befürchten."

Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), befürchtet sogar einen noch größeren Stellenabbau im Falle einer Fusion der beiden Großbanken: "Ich befürchte, wir reden über ein mögliches Potenzial an Stellenabbau, was in einem deutlichen fünfstelligen Bereich liegt - zwischen 30 000 und vielleicht sogar 50 000 Mitarbeitern".

Entsprechend wollen die Arbeitnehmervertreter im Deutsche-Bank-Aufsichtsrat eigentlich gegen die Aufnahme formeller Fusionsverhandlungen stimmen, wenn das Thema bei der Sitzung des Kontrollgremiums am kommenden Donnerstag zur Abstimmung stehen sollte. Spricht sich die Anteilseignerseite im Aufsichtsrat geschlossen für Fusionsverhandlungen aus, könnte Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Achleitner mit seinem Doppelstimmrecht eine Entscheidung herbeiführen - das aber hat es in der jüngeren Geschichte der Deutschen Bank noch nie gegeben.

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