Finanzierung von Studien:Süße Manipulation

Finanzierung von Studien: Darf's etwas mehr sein? Süßes ist nicht nur in den USA beliebt.

Darf's etwas mehr sein? Süßes ist nicht nur in den USA beliebt.

(Foto: Jewel Samad/AFP)

Wie der amerikanische Zuckerverband den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Herzkrankheiten jahrzehntelang verschleierte.

Von Vivien Timmler

Zuckerhaltige Limonaden in Kanistern, Eis in Zwei-Liter-Eimern und Schokokekse in der Familienpackung: Eine Abneigung gegen Zucker kann man den amerikanischen Konsumenten nicht gerade attestieren. Viele von ihnen haben ein geradezu idealisiertes Bild des Süßungsmittels.

Das kommt nicht von ungefähr, wie eine Untersuchung der University of California, San Francisco, zeigt, die in der internationalen Medizinzeitschrift Journal of the American Medical Association veröffentlicht wurde. Demnach hat die amerikanische Stiftung für Zuckerforschung Anfang der Sechzigerjahre ein Projekt in Auftrag gegeben, das nur ein einziges Ziel hatte: Den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und tödlichen Herzerkrankungen herunterzuspielen und so zu verhindern, dass die Amerikaner womöglich weniger Zucker zu sich nehmen.

Der Untersuchung zufolge begann die Manipulation bereits 1962. Zu jener Zeit wurde eine Welle von Studien veröffentlicht, die Zucker alleine für die Entstehung ebensolcher Herzerkrankungen verantwortlich machten. Die amerikanische Stiftung für Zuckerforschung, aus der später der amerikanische Verband der Zuckerindustrie hervorging, beschloss daraufhin, die öffentliche Debatte in eine neue Richtung zu lenken und der bisherigen Forschung eigene Ergebnisse entgegenzusetzen.

Im Jahr 1965 rief sie das "Projekt 226" ins Leben. Dessen Ergebnis war ein wissenschaftlicher Überblicksartikel, der den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Herzerkrankungen relativierte. Als Gegenleistung flossen 50 000 Dollar an Forscher der Harvard University. Zudem wurde im gleichen Jahr der Vorsitzende des Lehrstuhls für Ernährung der Universität, Fredrick Stare, Ad-hoc-Mitglied der Stiftung, die das Projekt in Auftrag gegeben hatte. Dass diese der Auftraggeber des Artikels war, wurde damals an keiner Stelle transparent gemacht.

Für ihre nun veröffentlichte Untersuchung haben die Forscher aus San Francisco mehr als 300 Dokumente ausgewertet, die einen Zusammenhang zwischen dem amerikanischen Verband der Zuckerindustrie und den Autoren des Überblicksartikels herstellen.

Die Zuckerindustrie schaffte es mithilfe des pseudowissenschaftlichen Beitrags nicht nur, die negativen Nebenwirkungen übermäßigen Zuckerkonsums herunterzuspielen. Es gelang ihr auch, stattdessen Fette und Cholesterine als Ursache für tödliche Herzerkrankungen in der öffentlichen Wahrnehmung zu etablieren. Zudem gab sie durch diese Manipulation auch die künftige Richtung der Ernährungsforschung vor.

Und heute? Der Verband der Zuckerindustrie gibt immerhin zu, dass eine "größere Transparenz in allen Forschungsaktivitäten nötig gewesen" wäre. Die eigene Rolle spielen die Hersteller in der aktuellen Debatte aber zugleich herunter: Die Regeln zur Offenlegung der Finanzierung und die Transparenzstandards seien damals ganz einfach nicht vergleichbar mit den heutigen Richtlinien gewesen.

Der Verband wirft den Autoren der Studie darüber hinaus vor, durch die Veröffentlichung nur der aktuellen Debatte zu dienen und dem Anti-Zucker-Trend nachzueifern - obwohl sich in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt habe, dass Zucker keine einzigartige Rolle bei der Entstehung von Herzkrankheiten gespielt habe.

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