Finanzierung der EU:Den deutschen Steuerzahler freut's

Bislang überweist Deutschland acht Milliarden Euro an die Europäische Union. Viele kritisieren das - nun soll diese Summe durch eine Reform sinken. Im Gegenzug wächst auf bestimmte Abgabenparadiese der Gemeinschaft der Druck, mehr zu zahlen.

Cerstin Gammelin

Die 27 europäischen Länder sollen künftig offenlegen, auf welcher Grundlage sie Firmensteuern berechnen. Mit diesem Vorstoß will EU-Kommissar Algirdas Semetas nächste Woche nach Informationen der Süddeutschen Zeitung weitreichende Veränderungen in der Steuerpolitik anstoßen.

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Wer zahlt wie viel für die Gemeinschaft? Eine Reform der Firmenbesteuerung soll die Karten neu mischen.

(Foto: dpa)

Mehrere Ergebnisse sind möglich: Unter anderem könnten Länder mit niedrigen Sätzen wie Irland nicht umhin kommen werden, ihre Unternehmensteuern zu erhöhen. Deutschland würde dadurch als Standort attraktiver. Die Bundesrepublik könnte zudem davon profitieren, dass Firmen künftig dort versteuern sollen, wo sie produzieren. Außerdem winkt dem Land eine niedrigere Zahlung an die EU-Kasse, wenn sich Brüssel mit seinen Vorschlägen durchsetzt.

Steuerkommissar Semeta will am kommenden Mittwoch zunächst vorschlagen, die Grundlage zur Bemessung von Steuern sowie die Höhe der Sätze transparent zu machen. Hohe EU-Diplomaten in Brüssel gehen davon aus, dass diesem Vorstoß weitere Initiativen folgen. Sie werden die derzeit gültigen Systeme deutlich verändern.

Sobald aufgrund der angestrebten Transparenz seriöse Vergleiche zwischen den einzelnen EU-Ländern möglich seien, könne der politische Druck auf Niedrigsteuerländer erhöht werden, heißt es in Brüssel.

Womöglich müssten einzelne Länder die Körperschaftssteuer erhöhen - was wiederum Unternehmen motivieren könnte, ihre Produktionsstätten zu verlagern. "Wir rechnen damit, dass Niedrigsteuerländer ihre Sätze langfristig anpassen müssen", sagt ein EU-Diplomat.

Wer profitiert von der jetzigen Regelung?

Hinter dem Vorschlag des Kommissars Semeta steht die Idee, dass grenzüberschreitend tätige Unternehmen künftig vollständig in jenem Land Körperschaftssteuern zahlen, in dem sie produzieren. Zwar entrichten internationale Konzerne heute schon einen Teil ihrer Steuerschuld in den Ländern, in denen sie produzieren - sie tun das jedoch vor allem wegen steuerlicher Vorteile.

Gängige Praxis ist, dass Unternehmen ihre Zentralen abseits der Produktionsstätten in Niedrigsteuerländern errichten. Das beschert Staaten wie Luxemburg oder auch Liechtenstein riesige Erträge, Ländern mit großen Produktionsanlagen wie Deutschland aber starke Einbußen.

Die EU-Kommission plant zudem, von 2014 an über die Körperschaftsteuer eigene Einnahmen zu erzielen. Erklärtes Ziel der Brüsseler Behörde ist es, unabhängiger von den Zahlungen der Mitgliedsstaaten zu werden. Bisher hängt die EU zu mehr als 70 Prozent am Tropf der einzelnen Länder.

Den deutschen Steuerzahler freut's

Um diese Abhängigkeit zu verringern, will die Kommission eine europäische Unternehmensteuer einführen. Ein entsprechender Vorschlag ist für den Frühsommer geplant. Multinationale Konzerne wie Siemens oder Volkswagen sollen künftig den Status eines EU-Unternehmens führen und damit ihre Steuern direkt in den Brüsseler Haushalt zahlen können.

Der Anteil, den bisher der deutsche Fiskus eingenommen hätte, soll mit den deutschen Überweisungen in den EU-Haushalt verrechnet werden. Dadurch würde sich der deutsche Steuerzahler, der derzeit unterm Strich acht Milliarden Euro nach Brüssel überweist, Geld ersparen.

Semeta will mit seinem Vorschlag zur Schaffung einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage die Systeme in den 27 Ländern "transparent und vergleichbar" machen, sagt ein hoher Beamter der EU-Kommission.

Derzeit tourt der Kommissar durch Europa, um letzte Details mit den nationalen Regierungen abzustimmen. Der europäische Industrieverband Business Europe kündigt bereits an, die Transparenz-Initiative zu unterstützen.

Der Vorstoß Semetas ist nur fünf Tage nach dem Euro-Gipfel geplant, der am kommenden Freitag in Brüssel stattfindet. Vor allem Deutschland und Frankreich werben seit langem für gemeinsame Bemessungsgrundlagen.

Notfalls alleine

Irland, Zypern, Luxemburg, Tschechien und Slowenien waren bisher weniger begeistert. Sie gelten als Steuerparadiese für Unternehmen. Unter dem Druck ihrer Euro-Partner haben die Länder allerdings eingelenkt. Das ist dem Entwurf der bereits ausgehandelten Abschlusserklärung des Euro-Gipfels zu entnehmen.

Darin heißt es, eine gemeinschaftliche Bemessungsgrundlage für Körperschaftssteuern "sichert die Konsistenz der nationalen Steuersysteme und trägt zur Stabilität der Finanzen bei". Explizit weisen sie darauf hin, dass es nicht geplant sei, einheitliche Steuersätze einzuführen.

Notfalls sind die Euro-Länder zum Alleingang entschlossen. Falls die Länder, die nicht der Währungsunion angehörten, den Vorschlag einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für Körperschaftsteuern ablehnten, könne der Klub der 17 diesen auch allein umsetzen, heißt es in Brüssel. Die Euroländer wollen am Freitag in Brüssel beschließen, enger zu kooperieren, um künftige Krisen zu vermeiden.

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