Dem pleitebedrohten Griechenland fehlt wesentlich mehr Geld in der Kasse als bislang angenommen. Nach vorläufigen Erkenntnissen der "Troika" aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds müsse im Staatshaushalt eine Lücke von rund 20 Milliarden Euro geschlossen werden - fast doppelt so viel wie zuletzt eingestanden. Dies berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner neuen Ausgabe.
Nur wenn die Finanzierungslücke geschlossen wird, kann die nächste Tranche der internationalen Hilfsgelder nach Athen überwiesen werden. Derzeit kontrolliert die Geldgeber-"Troika" die Sparfortschritte Griechenlands. Allerdings haben die Kontrolleure ihre Arbeit in Athen am Wochenende für eine Woche unterbrochen. Die EU-Kommission hatte betont, dies weise nicht auf Probleme hin. Es gebe bedeutende Fortschritte.
Es erscheint jedoch als unwahrscheinlich, dass Griechenland das Loch im Staatshaushalt aus eigener Kraft stopfen kann. Griechenland hängt seit mehr als zwei Jahren am internationalen Finanztropf und hat schon zwei Hilfsprogramme zugesagt bekommen. Die im Gegenzug verlangten Einsparungen verschärfen die jahrelange Rezession und sorgen im Land für wachsenden Widerstand.
Auch das jüngste Sparpaket ist innerhalb der Regierungskoalition umstritten und stößt bei der Bevölkerung auf großen Widerstand. Nach einer kürzlich in Athen veröffentlichten Umfrage gehen 90 Prozent der Befragten davon aus, dass hauptsächlich die ärmeren Teile der Bevölkerung am neuen Reformpaket zu tragen hätten.
Weiterer Schuldenerlass kein Thema
Deshalb ringt die Regierung in Athen immer noch um ein etwa 11,5 Milliarden Euro schweres Sparpaket. Die drei Parteien der Regierungskoalition konnten sich bislang noch nicht einigen. Dem Spiegel-Bericht zufolge soll der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras mehrfach angefragt haben, ob die öffentlichen Gläubiger bereit wären, auf die Rückzahlung von Schulden zu verzichten.
Für die Bundesregierung ist ein weiterer Schuldenerlass für Griechenland aber kein Thema. "Die Frage stellt sich nicht", hatte der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, am Freitag in Berlin gesagt. Samaras hofft zudem auf zwei Jahre Aufschub bei den drastischen Sparauflagen.
Rettungsschirm soll auf vierfaches Volumen aufgewertet werden
Die Bundesregierung geht offenbar davon aus, dass die vorgesehenen Finanzhilfen auch an anderer Stelle nicht ausreichen. Deshalb plant sie, die Kapazität des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit sogenannten Hebeln auf das bis zu vierfache Volumen zu erweitern. Marianne Kothé, Sprecherin des Bundesfinanzministeriums, bestätigte in Berlin, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM nun die Leitlinien erarbeitet würden. Es sei das Ziel, "dass der ESM über einen ähnlichen Instrumentenkasten verfügt" wie der temporäre Rettungsschirm EFSF, sagte Kothé.
In den Leitlinien für den EFSF sind zwei Modelle vorgesehen, mit denen die Kapazität des Schirms erhöht werden kann. So kann der Fonds für Vorsorgekredite als Versicherung eingesetzt werden, um Investoren für Staatsanleihen anzulocken. Und er wurde um Auslandsfonds ergänzt, an denen sich Geldgeber von außerhalb der EU beteiligen können.
Ähnliche Regelungen soll es nun auch für den ESM geben. Wie das Magazin Der Spiegel berichtete, sollen dadurch künftig im Ernstfall zwei Billionen Euro verfügbar sein statt der vorgesehenen 500 Milliarden Euro. Ziel sei es, so auch große Länder wie Spanien und Italien retten zu können. Kothé betonte aber, dass unabhängig von einer Hebelung die Begrenzung der deutschen Haftung auf maximal 190 Milliarden Euro für den ESM weiter gelte.