Finanzen:Skandal auf Wiedervorlage

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde

Der Handel mit Verschmutzungsrechten diente offenbar als Grundlage für einen groß angelegten Umsatzsteuerbetrug.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt erhebt Anklage gegen einen ehemaliger Deutsche-Bank-Manager. Er sei eine zentrale Person beim Steuerbetrug mit Emissionszertifikaten gewesen.

Von Meike Schreiber, Jan Willmroth, Frankfurt

Der frühere Mitarbeiter der Deutschen Bank war sich seiner Sache offenbar auch dann noch sicher, als die Warnzeichen schon längst nicht mehr zu übersehen waren. Die britische oberste Steuerbehörde hatte eine Anfrage gestellt wegen des Handels mit CO₂-Verschmutzungsrechten, der Spiegel hatte über die "Klima-Mafia" berichtet, die den Staat durch Umsatzsteuerbetrug mit Emissionszertifikaten ausnehme. Als zahlreiche Kollegen wegen des Artikels im Herbst 2009 aufgeregt waren, ließ das auch Hector F. nicht kalt: Es sei doch ärgerlich, wenn die eigenen Leute anfingen, die "Regenbogenpresse" für solch ein Thema zu benutzen.

So steht es in einem internen Untersuchungsbericht der Deutschen Bank vom April 2014. In dem Bericht, welcher der SZ vorliegt, haben die Anwälte einer Großkanzlei auf mehr als 3300 Seiten ausgebreitet, wie tief leitende Angestellte damals in den CO₂-Skandal verstrickt waren.

Zehn Jahre nach seinen beschwichtigenden Worten muss der frühere leitende Angestellte am Londoner Standort der Deutschen Bank womöglich in Frankfurt vor Gericht. In wenigen Monaten wären die Vorwürfe verjährt gewesen. Nun aber hat die Generalstaatsanwaltschaft den 48-Jährigen wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung angeklagt.

Nach Erkenntnissen der Ermittler war er eine der zentralen Personen bei den groß angelegten CO₂-Handelsgeschäften mit Zweckgesellschaften. Als Mitglied einer Bande habe er dabei geholfen, Steuern in Höhe von 145 Millionen Euro zu hinterziehen, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung der Behörde. Er habe von Anfang an von den betrügerischen Absichten der fraglichen Handelspartner der Deutschen Bank gewusst. In seiner herausgehobenen Funktion in der Londoner Handelsabteilung habe er selbst dann noch garantiert, dass die Geschäfte weiterliefen, als Kollegen längst Zweifel angemeldet hatten. Mit der neuerlichen Anklage wärmen die Ermittler einen Skandal wieder auf, mit dem die Deutsche Bank eine Menge Ärger hatte und der sie ziemlich viel Reputation gekostet hat. Legendär sind die beiden Razzien in den Jahren 2010 und 2012. Bei der zweiten Razzia durchsuchten mehrere Hundert Staatsanwälte, Polizisten und Steuerfahnder die Zentrale der Bank, der damalige Chef Jürgen Fitschen beschwerte sich anschließend persönlich bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).

Wie sich später herausstellte, hatten die Ermittler indes gute Gründe für ihr Vorgehen: Erst in London und später im Tandem mit Frankfurt hatten Händler der Deutschen Bank in den Jahren 2009 und 2010 im Verbund mit kriminellen Geschäftsleuten aus halb Europa und vom Persischen Golf Verschmutzungsrechte im Kreis an- und verkauft, bis die Finanzbehörden den Überblick verloren. Am Ende erstattete der Fiskus Umsatzsteuern, die zuvor niemand gezahlt hatte. Als die britischen Steuerbehörden eingriffen, waren diese Geschäfte ab 2010 in der Londoner Niederlassung der Deutschen Bank nicht mehr möglich. Hector F. aber soll den Handel einfach nach Frankfurt verlagert haben. Dort drehte sich das Karussell noch mehrere Monate weiter, bis die Zentrale es stoppte.

In mehreren Prozessen wurden bislang 13 Beschuldigte verurteilt, darunter sowohl Vertreter der Betrügerfirmen als auch Ex-Mitarbeiter der Bank, von denen einer derzeit eine dreieinhalbjährige Haftstrafe verbüßt. Die Deutsche Bank zahlte etwa 410 Millionen Euro an Bußgeldern und Steuerrückzahlungen, wie unlängst aus einer Kleinen Anfrage von Fabio De Masi, Finanzexperte der Linken, hervorging.

Über die Zulassung der Anklage gegen Hector F. entscheidet nun die zuständige Kammer am Landgericht Frankfurt. Es gilt als wahrscheinlich, dass es zum Prozess kommt. Die Verteidigerin von F. wollte sich unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu den Vorwürfen äußern.

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