Finanzen - Schwerin:Rechnungshof sieht undurchsichtige Buchhaltung

Finanzen - Schwerin: Geldscheine liegen auf einem Tisch. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration
Geldscheine liegen auf einem Tisch. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration (Foto: dpa)

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Schwerin (dpa/mv) - Der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern hat dem Finanzministerium eine schwer zu durchschauende Buchführung vorgeworfen. "Es entsteht der Eindruck einer Irreführung des Landtags", sagte Präsidentin Martina Johannsen in Schwerin zur Vorstellung des Landesfinanzberichts für 2020. Gesetzeswidrig sei das Vorgehen nicht, das Haushaltsgesetz räume dem Ministerium sehr viel Handlungsspielraum ein.

Den Aussagen der Experten nach lässt sich das Finanzministerium zwar in die Karten schauen, zu verstehen sei das jedoch für einzelne Abgeordnete nicht ohne Weiteres.

Zu den kritisierten Praktiken gehört zum einen eine unübersichtliche Anzahl an 23 Sondervermögen. Außerdem wird der mangelnde Mittelabfluss und die Art der Verwendung der Gelder des MV-Schutzfonds kritisiert, der zur Bewältigung der Corona-Folgen aufgelegt wurde. 2,85 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen hatte die Landesregierung sich gestatten lassen. Tatsächlich ausgezahlt und nicht nur verplant sind davon bisher nur 700 Millionen Euro.

Das Finanzministerium in Schwerin hält die Kritik für unberechtigt: "Wie der Haushalt selbst sind die Sondervermögen regelmäßig Gegenstand der Beratung und Beschlussfassung im Landtag. Und selbstverständlich werden sie auch regelmäßig gegenüber dem Landtag abgerechnet", hieß es aus dem Haus von Finanzminister Heiko Geue (SPD). Hier wird demnach auch die Mittelverwendung beim Schutzfonds anders taxiert, bis Ende Juli 2022 seien 1,72 Milliarden Euro abgeflossen.

Insgesamt sieht der Rechnungshof beim Schutzfonds wie auch bei anderen Sondervermögen eine "Eichhörnchenmentalität" der Landesregierung. Eigentlich könnte das Land eine Milliarde an möglichen Krediten in dem Fonds streichen, ohne auf einen Notpuffer verzichten zu müssen, so der Tenor. Doch Mecklenburg-Vorpommern erhalte sich stattdessen einen Schattenhaushalt. Auf diesen Trick haben Johannsen zufolge zwar auch andere Bundesländer zurückgegriffen, aber nicht in diesem Ausmaß.

Zum wiederholten Mal enthält der Finanzbericht deutliche Kritik an undurchsichtigen Personalausgaben von Wohlfahrtsverbänden. Passiert ist hier aus Sicht des Rechnungshofs trotz eines Untersuchungsausschusses im Landtag und dem neuen Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetz nichts. "Das geht so nicht", sagte Johannsen. Das Land sei verpflichtet, Leistungen zu prüfen. Konkret geht es um beim Land abgerechnete Personalausgaben und Arbeitszeiten, die in der Realität nicht erbracht wurden.

Bei der Finanzprüfung der Wohlfahrtsverbände würde sich der Einsatz von mehr Personal lohnen, finden die Rechnungsprüfer. Generell mahnen sie aber an, die Personalausgaben in der öffentlichen Verwaltung stärker zu hinterfragen.

Unter dem Strich sind die bereinigten Einnahmen des Landes im Pandemie-Jahr 2020 trotz der Belastungen zum Vorjahr um 8,4 Prozent auf rund 9,4 Milliarden Euro gestiegen. Auf der anderen Seite steht jedoch - rein buchungstechnisch - eine Explosion der Ausgaben um 44,4 Prozent auf rund 12,4 Milliarden Euro. Wie Johannsen erläuterte, ist das jedoch vor allem auf den MV-Schutzfonds zurückzuführen, dessen Kreditaufnahme noch nicht in vollem Umfang tatsächlich ausgeführt, sondern nur verbucht wurde.

Würde das Land die noch möglichen Ausgaben des Schutzfonds-Vermögens von 2,1 Milliarden Euro nutzen, so würden in den Jahren 2024, 2025 und 2026 rein rechnerisch allein 1,23 Milliarden Euro an Mehrausgaben auf Mecklenburg-Vorpommern zukommen. Wenngleich über das Steueraufkommen noch nichts bekannt ist, geht der Rechnungshof davon aus, dass hier eine signifikante Finanzierungslücke für den Landeshaushalt entstünde. Johannsen bekräftigte daher ihre Empfehlung, die Kredite nicht zu nutzen, wenn sie nicht benötigt werden

Das Finanzministerium will jedoch etwaige nicht gebrauchte Mittel für eine Sondertilgung von Altschulden nutzen. Inwieweit das dann tatsächlich möglich ist, könne jedoch aktuell noch nicht verlässlich beurteilt werden. Darüber hinaus sind dem Ministerium zufolge steigende Zinssätze im Haushalt für die Jahre 2022 und 2023 bereits berücksichtigt. Man habe also auch die eventuellen bereits kurzfristigen Mehrausgaben im Blick.

FDP-Fraktionschef René Domke sieht sich durch den Finanzbericht bestätigt: Es habe immer wieder erhebliche Zweifel gegeben, ob die Mittel des MV-Schutzfonds wirklich zur Bewältigung der Pandemie-Folgen gebraucht werden oder ob der Fonds dazu diene, "Versäumnisse der Vergangenheit und angestaute Investitionen aufzuholen". Darüber hinaus kritisierte er die große Zahl an entdeckten fehlerhaften Buchungen der Landesverwaltung von rund 600 der 2390 Stichproben. "Dies dokumentiert die Notwendigkeit gründlicher Rechnungshofprüfungen, denn ohne diese wären solche Fehler nie aufgefallen."

Ähnlich sieht es der haushaltspolitische Sprecher der AfD, Martin Schmidt. Er warf den ehemaligen Koalitionären von SPD und CDU vor, mit dem MV-Schutzfonds den "Bürgern auf Jahrzehnte Schulden aufzuhalsen, um Wahlkampfgeschenke, Filz und Ideologie zu finanzieren".

Die Grünen werfen der Landesregierung vor, kein tragfähiges Finanzkonzept zu haben. "Das Geflecht aus unzähligen Fördertöpfen, falschen Abrechnungen in den Behörden, Gesetzesverstößen, mangelnder Transparenz und fehlender Übersicht künftiger Einnahmen kann unser Land stattdessen manövrierunfähig machen", sagte deren Fraktionsvorsitzender Harald Terpe.

Bei den Christdemokraten richtet sich die Kritik vor allem auf die Politik der aktuellen rot-roten Koalition. 2020 regierte die SPD noch mit der CDU. Die Landesregierung habe ihre Hausaufgaben nicht gemacht. "Der Landesrechnungshof moniert zurecht, dass der Haushaltsausgleich nur durch hohe Entnahmen aus den Rücklagen gelingt und für die Jahre 2024 bis 2026 eine Lücke im Landeshaushalt von 1,3 Milliarden Euro droht", sagte der finanzpolitische Sprecher Marc Reinhardt. Er sieht den Grund dafür vor allem in Mehrausgaben von Personal und Soziales.

Die SPD gibt sich derweil zahm: Der Bericht sei eine sehr gute Grundlage für die weiteren Beratungen in der Fraktion und im Finanzausschuss, sagte der finanzpolitischer Sprecher Tilo Gundlack. Was die Grundsatzkritik an der hohen Schuldenaufnahme angeht, verwies er jedoch nicht nur auf die Belastungen durch die Corona-Pandemie, sondern auch auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

© dpa-infocom, dpa:220818-99-425455/6

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