Düsseldorf (dpa/tmn) - Wenn die Wirtschaft einbricht und Aktien in den Keller gehen, ist das für die meisten nicht der passende Zeitpunkt zu investieren. Einige werden trotzdem aktiv: Sie folgen der antizyklischen Strategie.
Es gehört schon eine Portion Mut dazu. Und Risikobereitschaft. Immerhin nehmen Investoren, die antizyklisch handeln, an, sie seien schlauer als der Markt. „Der Verlierer heute ist der Gewinner morgen oder umgekehrt“, erklärt Ralf Scherfling, Finanzexperte von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Beim antizyklischen Vorgehen kaufe man praktisch dann ein, wenn die Kanonen donnern, erklärt Heiko Jacobs von der Universität Mannheim das Prinzip. Also zum Beispiel dann, wenn die Wirtschaftslage schlecht ist und Aktien im Keller sind.
Beim Auswählen der passenden Aktien kann der antizyklische Investor sich erst einmal die Fundamentaldaten von Unternehmen anschauen, um einen besseren Eindruck zu bekommen. Die Fundamentaldaten sind sozusagen die Buchwerte, erklärt Jacobs. Die Bilanz des Unternehmens vergleichen sie dann mit dem Marktwert an der Börse.
Ist der Marktwert schlechter als die fundamentalen Werte, kann das ein Grund sein zu investieren. Denn das könnte ein Anzeichen dafür sein, dass sich der Marktwert bald wieder bessert. Aber Vorsicht: „Es ist alles andere als eine Garantie“, warnt Scherfling.
Denn gute fundamentale Werte bedeuten nicht, dass sie sich tatsächlich in den nächsten ein bis zwei Jahren in den Aktienwerten widerspiegeln. Nicht darin enthalten und nicht vorhersagbar sind nämlich psychologische Komponenten: Wie reagieren andere Anleger? Einfluss können auch unvorhersehbare Krisen in der Welt haben.
„Wir lieben es eigentlich, eher dabei zu sein, wo alle hingehen“, erklärt die Finanzpsychologin Monika Müller aus Wiesbaden. Eigentlich sei deshalb das zyklische Investieren - das Folgen von Trends - tief in unseren Mustern verwurzelt. Gegen den Strom zu schwimmen gehe ein bisschen gegen die eigenen Gefühle. Eine gewisse Gelassenheit sollten Anleger in jedem Fall mitbringen. Wenn der Nachbar irgendetwas erzählt, dürften sie nicht gleich nervös werden, sagt Müller. „Sonst werde ich vielleicht aktiv, obwohl ich es nicht werden sollte.“
Schwierig sei in diesem Zusammenhang auch, in der Lage zu sein, etwas loszulassen, was vielleicht noch gut läuft, erklärt Müller. Aber genau das gehört zur Strategie. „Es fällt dem einen leichter als dem anderen“, sagt sie. „Die große Kunst ist, das bei sich zu erkennen.“ Wer sich bei steigendem Kurs immer ein bisschen in den Lauf verliebt, der sei schon emotional verbandelt. „Dann ist es schwer, mit dieser Strategie Erfolg zu haben“, sagt die Finanzpsychologin.
Sie rät grundsätzlich dazu, einmal im Jahr ein Rebalancing zu machen - nicht nur bei der antizyklischen Strategie. Dabei nehmen Anleger unter die Lupe, ob ihr Kapital noch so verteilt ist, wie sie sich ursprünglich vorgenommen haben. Wenn sie es zum Beispiel zu 30 Prozent in Aktien und zu 70 Prozent in Anleihen investieren wollten und sich die Verteilung über das Jahr geändert hat, müssen sie eingreifen, um ihrer eigenen Regel Folge zu leisten.
Diejenigen, die sich das Handeln gegen den Trend auf die Fahne geschrieben haben, sollten damit rechnen, mit ihrer Strategie auch mal auf die Nase zu fallen. Womöglich bleibt die Wende im Abwärtstrend nämlich aus. Schlimm wäre dann, in die falschen Anleihen investiert zu haben: Dann droht im Fall der Insolvenz ein Totalverlust, warnt Scherfling. Wer stattdessen zum Beispiel auf Gold oder den Dax gesetzt hat, erleidet eventuell Verluste - aber keinen Totalverlust. Dann sei wichtig, diese Phase auszusitzen. Das Beste sei ohnehin, breit zu streuen - dann tue es auch nicht weh, wenn in einem Bereich gerade Verluste drohen, sagt Scherfling.
Aus wissenschaftlicher Sicht bekommt die antizyklische Strategie von Jacobs zum Ende noch eine Absage. „Es ist schlicht nicht möglich, Marktentwicklungen vorherzusehen“, sagt er. Deshalb sei auch das antizyklische Investieren nicht zwingend von Erfolg gekrönt. Neben der Gefahr, aufs falsche Pferd zu setzen, müssen Anleger auch die Transaktionskosten berücksichtigen, die bei häufigem Kauf oder Verkauf auf sie zukommen. Laut Studien sei das Ergebnis nach dem Prinzip Buy and Hold besser. Danach investieren Anleger, wenn sie Geld zur Verfügung haben und verkaufen, wenn sie welches brauchen.
Gleichzeitig müsse es im Gesamtmarkt natürlich ein Gleichgewicht geben: „Wenn ich verkaufen will, muss auch jemand kaufen wollen“, beschreibt Jacobs. Die antizyklischen Anleger muss es also geben.