Süddeutsche Zeitung

Finanzen im Kloster:Morgens beten, abends zählen

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Klöster wirken irgendwie aus der Zeit gefallen. Doch gerade dort führen Frauen ein eigenständiges Leben. Mittlerweile sind Ordensschwestern auch Mitspieler an den Börsen.

Von Katharina Kutsche

Die Gemeinschaft schrumpft sich klein, sagt Schwester Ruth. Ältere Schwestern sterben, wenige junge kommen nach. Die Kongregation der Missions-Benediktinerinnen in Tutzing am Starnberger See steht zwar wirtschaftlich gut da. Aber das kann sich schnell ändern. Die Gebäude aus dem Jahr 1904 müssen unterhalten, das Zusammenleben gestaltet und finanziert werden. Viel Arbeit für Schwester Ruth, seit 1986 im Kloster, seit drei Jahren Priorin. "Wir wirtschaften umweltfreundlich", erklärt sie. Die 70 Schwestern kaufen regional und bei Landwirten ein, achten auf fair gehandelte Produkte. Sie betreiben ein Gästehaus mit 24 Zimmern in Tutzing und ein Bildungshaus mit Seminarprogramm im Nachbarort Bernried. Sie arbeiten mit Hilfswerken zusammen, die Spenden für die Missions-Benediktinerinnen gehen von Tutzing aus in die ganze Welt. Oder wie es die Priorin ausdrückt: "Orden leben schon lange Globalisierung und Internationalität."

Klöster sind weit mehr als nur Lebensgemeinschaften von Menschen gleicher Konfession. Sie sind Denkmäler, Mehrgenerationenhäuser, Alterssitze - und Unternehmen und Arbeitgeber. Für viele Menschen sind die Ordenshäuser eher touristisch wertvoll: nett anzusehen, aber aus der Zeit gefallen. Doch ist es eher andersherum: Die Wirtschaftswelt außerhalb der Klostermauern behandelt Frauen oft immer noch, als hätten sie keine Ahnung von Geld und nicht genügend Ambitionen für eine Führungsposition. Da ist man innerhalb der Klostermauern seit mehreren Jahrhunderten weiter. In Frauenklöstern wählen die Bewohnerinnen ihre Chefin selbst. Sie verwalten Haushalt und Vermögen in eigener Verantwortung. Und jede Ordensschwester bringt ihre Fähigkeiten so ein, wie es der Gemeinschaft am besten hilft.

Die meisten Häuser, die der Benediktinerinnen und Zisterzienserinnen etwa, leben nach den Regeln des Heiligen Benedikt von Nursia: von der eigenen Hände Arbeit - Steuergeld etwa fließt selten. Wo immer sich Ordensschwestern zu einer Gemeinschaft zusammenfinden, bilden sie auch eine Wirtschaftseinheit. Was sie einnehmen, finanziert ihr Leben bis zu seinem Ende: Orden zahlen nicht in die Rentenkasse, sie müssen also Geld zurücklegen, um vorzusorgen.

In der Abtei Mariendonk investieren sie in Indexfonds. Die bringen mehr Zinsen

In der Abtei Mariendonk in Grefrath ist Schwester Lioba für das Geld zuständig. Für jede der 27 Schwestern verwaltet sie ein Vermögen von etwa 65 000 Euro - das beinhaltet den Unterhalt, Anteil an Sanierungen, die Altersvorsorge. Schwester Lioba hat es vor einigen Jahren ins Wall Street Journal geschafft - als die Nonne, die morgens betet und nachmittags mit Aktien handelt. Das ist natürlich sehr vereinfacht. Aber die Cellerarin, wie das Amt in der Fachsprache heißt, setzt tatsächlich auf Wertpapiere. Bis 2013 investierte der Orden in einen Aktienfonds, aufgelegt von der katholischen Kirche, sowie in Festgeld und Sparbriefe. Als die Zinsen zu stark sanken, suchte sie Alternativen. Inzwischen investieren die Nonnen auch in fünf Indexfonds. Schwester Lioba behält die Depots im Blick, kontiert Rechnungen, spricht sich mit ihrer Mitschwester aus der Buchhaltung ab. "Ich kaufe keine Einzelaktien, auch wenn ich mich intensiv mit Geldanlagen beschäftigt habe", sagt die Cellerarin - aber eben Fonds. In Absprache mit der Bank und dem Wirtschaftsrat von Mariendonk, zu dem die Äbtissin und Priorin gehören, und die Schwester, die Hausmeisterarbeiten erledigt. Gemeinsam haben sie überlegt, nach welchen Kriterien, vor allem ethische, sie ihr Geld anlegen möchten. So investieren die Schwestern auch in zwei Mikrofinanzfonds: "In manchen Ländern sind es ja die Frauen, die die Wirtschaft noch am Laufen halten", sagt Schwester Lioba.

Für Frauen haben Klöster historisch eine besondere Bedeutung. Es war oft ihre einzige Chance auf Bildung. Und es war ihre einzige Möglichkeit, selbstbestimmt ohne Mann zu leben. Dass sich die Schwestern ihre Äbtissin oder Priorin wählen, ist ihnen wichtig. Denn im Mittelalter und in der Neuzeit gab es durchaus Versuche von Landesherren oder Bischöfen, die Wahl in zu beeinflussen, gerade bei wirtschaftlich bedeutsamen Häusern.

Eine Ausnahme war da der hannoversche Prinzregent Georg II., der 1818 die Klosterkammer Hannover gründete. Deren Vermögen ist enorm: Die Behörde verwaltet Erbbau-Grundstücke, lässt in den Klosterforsten 26 600 Hektar Wald bewirtschaften und verpachtet landwirtschaftliche Flächen. Mit ihren Einnahmen erhält sie 800 Baudenkmäler und 12 000 Kunstgegenstände. Und betreut und unterstützt in ihrem 200. Jahr noch 15 aktive, evangelische Frauenklöster in Niedersachsen. Deren Grundaufbau unterscheidet sich jedoch deutlich von dem in Tutzing oder Mariendonk. Eines der Häuser ist etwa das Kloster Walsrode. Der Konvent ist das älteste der sechs sogenannten Heideklöster, die jeweils einen Tagesritt voneinander entfernt in der Lüneburger Heide liegen und schon immer von Frauen bewohnt wurden - in Walsrode seit dem Jahr 986.

Die acht Damen, die hier leben, heißen Konventualinnen. Sie tragen zivil und haben kein Gelübde abgelegt. Es ist eine Lebensgemeinschaft, die dazu dient, das alte Gebäude zu bewohnen und die Tradition zu erhalten. Die Konventualinnen planen etwa Führungen, betreuen Gäste und Künstler und kümmern sich um Archiv und Garten. Und sie führen ihren Haushalt selbst, finanziert etwa durch Gehalt oder Rente: Das ist die Voraussetzung dafür, in das Kloster ziehen zu können.

Klösterliche Armut heißt, nicht über eigenes Bargeld zu verfügen

Ein häufiges Missverständnis über Orden ist die Sache mit dem Armutsgelübde. "Wir sind nicht arm wie etwa eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, die von Hartz IV leben muss. Das würde ich nie preisen, das hat auch Christus nicht getan", sagt Schwester Lioba. "Klösterliche Armut heißt, keine Verfügung über Bargeld zu haben, alles als Geschenk wahrzunehmen." Wenn eine Schwester in den Orden eintritt, fließt ihr Vermögen in das Gemeinschaftseigentum. Muss etwas besorgt werden, entscheidet der Wirtschaftsrat oder die Vorsteherin. Und für Hygieneartikel gibt es ein Regal, aus dem sich jede nimmt, was sie braucht. Bei Kleidung schauen die Schwestern, was man noch auftragen kann, ansonsten wird möglichst günstig und lokal neu eingekauft.

Was Klöster einnehmen, richtet sich auch nach ihrem Arbeitsschwerpunkt. Manche Orden haben große Ländereien, die sie verpachten, Kunstschätze, die sie ausstellen, Hostienbäckereien, mit denen sie Kirchen beliefern. Mariendonk etwa stellt in einer Paramenten-Werkstatt Gewänder für Priester, Chöre und Schützenvereine her. Die Tutzinger Gemeinschaft hat bis 2007 das Benedictus-Krankenhaus auf dem Klostergrund betrieben, doch das wurde für die Schwestern zu aufwendig: Sie verkauften an eine Klinikgruppe, kümmern sich aber weiter um die Seelsorge der Patienten und bekommen Miete und Erbpacht.

Einfach ist es nicht, ein Kloster zu erhalten. Vielfach helfen Fördervereine, indem sie Spenden sammeln. Ältere Schwestern bringen ihre Rente ein, jüngere ihr Gehalt. So arbeitet eine Tutzinger Schwester als Oberärztin im Benedictus-Krankenhaus, eine andere ist Juristin. Doch die häufig denkmalgeschützten Gebäude sind ein großer Kostenfaktor. Die Abtei Mariendonk etwa wurde 1899 gebaut, andere Häuser sind mehrere Jahrhunderte alt. Schwester Lioba kann beim Bistum Aachen Bauzuschüsse beantragen, zuletzt mussten Kirchenheizung und Elektrik für 400 000 Euro saniert werden.

Doch es gibt auch Grenzen. "Wir wollen nicht nur für das Gebäude leben", sagt Schwester Ruth, die Priorin von Tutzing, die studierte Volkswirtin ist. Sollte der Orden das Haus nicht mehr halten können, müssten sich die Schwestern irgendwo einmieten - theoretisch jedenfalls, die Gefahr besteht derzeit nicht. Andere Klöster hat das aber durchaus schon getroffen. 2016 etwa löste der Vatikan das Kloster Altomünster auf, weil dort nur noch eine Nonne lebte. Um Novizinnen auszubilden, sind nach Kirchenrecht aber mindestens drei Schwester nötig. "Das traditionelle Leben wird sich wohl ändern, da werden bestimmte Formen verloren gehen", sagt Schwester Ruth.

Auch die Schwestern in Mariendonk machen sich Gedanken. Aber mit dem, was die Fonds und Anlagen bisher abwerfen, ist die Cellerarin zufrieden. "Ich versuche den Job so zu machen, dass ich, wenn ich vor meinen Schöpfer trete, sagen kann, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt."

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Quelle:
SZ vom 31.12.2018
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