Finanzen - Ettersburg:Landesregierung will Neuverschuldung von 1,82 Milliarden

Corona
Landesregierung und Vertreter von Rot-Rot-Grün tagen in Schloss Ettersburg. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Ettersburg (dpa/th) - Mit einer Neuverschuldung in Höhe von 1,82 Milliarden Euro will die Thüringer Landesregierung auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise reagieren. Auf diesen Kompromiss einigte sich das Kabinett nach Beratungen mit Vertretern der Regierungsfraktionen am Dienstag auf Schloss Ettersburg bei Weimar. Allerdings stehen noch Verhandlungen mit der CDU aus, aus deren Reihen Rot-Rot-Grün mindestens vier Stimmen braucht, um einen entsprechenden Nachtragshaushalt im Parlament beschließen zu können. Linke, SPD und Grüne haben seit der Landtagswahl 2019 im Landtag keine eigene Mehrheit mehr.

Schulden sollen den Plänen zufolge nur in diesem Jahr aufgenommen werden - im nächsten Jahr dann aber nicht. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte, dass man weiter investieren wolle. "Wir wollen im Schnitt 15 Prozent Investitionsquote halten", sagte Ramelow nach den Beratungen. Zudem sollen Fördermittel von EU und Bund kofinanziert werden können.

Die Landesregierung rechnet derzeit mit fast einer Milliarde Euro weniger Steuer-Einnahmen in diesem Jahr wegen der Corona-Krise. Dieser Ausfall soll mit neuen Schulden kompensiert werden. Dafür soll es einen Nachtragshaushalt geben, der aber erst nach der nächsten Steuerschätzung im September im Parlament besprochen werden soll.

Außerdem soll das bereits vom Landtag beschlossene Sondervermögen nun doch mit Krediten und nicht aus der Rücklage des Freistaates finanziert werden. "Wir werden das Corona-Sondervermögen Ende Mai/Juni 2020 nicht rücklagenfinanzieren - wenn der Landtag uns folgt - sondern wir werden es kreditfinanzieren", sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Optimistisch betrachtet könne es konjunkturell bereits Ende nächsten Jahres Licht am Horizont geben.

Man müsse aber auch damit rechnen, dass dies erst 2022 oder 2023 geschehe. Laut Finanzministerin Heike Taubert (SPD) könnte dann die geschonte Rücklage genutzt werden, um die Haushalte zu stabilisieren. "Wenn wir den Haushalt '21 auf das Niveau '20 heben wollen, müssen wir natürlich die Mittel aus der Rücklage entnehmen", sagte Taubert.

Mit dem rund 1,26 Milliarden schweren Sondervermögen werden unter anderem die Corona-Soforthilfen für Unternehmen und Solo-Selbstständige gestemmt. Nur ein Teil davon - rund 695 Millionen Euro - kommt aus Landesmitteln, der Rest vom Bund. Ramelow kündigte an, dass das Sondervermögen noch einmal aufgestockt werden soll - um 300 Millionen Euro.

Im Vorfeld der Klausur auf Schloss Ettersburg hatte es innerhalb der rot-rot-grünen Koalition Meinungsverschiedenheiten über ein mögliches Haushaltsvolumen 2021 gegeben. Finanzministerin Taubert hatte vorgeschlagen, die tatsächlichen Ausgaben 2019 als Grundlage für eine Veranschlagung 2021 zu nutzen.

Aus den Ministerien gab es aber Widerstand - sie forderten mindestens so viel Geld wie für das laufende Jahr veranschlagt war. Nun sollen die Aufgabenbudgets der Ministerien auch 2021 auf dem Soll-Niveau des laufenden Jahres liegen. Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte, man wolle nicht gegen die Krise ansparen. Vielmehr müssten Impulse gesetzt werden.

Ramelow sprach davon, dass Umschichtungen nötig seien, um die Probleme der Zukunft lösen zu können. "Es gibt eine tiefere Debatte, die nämlich bedeutet, mit den bestehenden Mitteln die Transformation deutlich zu beschleunigen", sagte Ramelow. Erneut erteilte er angesichts der finanziellen Lage einem dritten kostenlosen Kita-Jahr vorerst eine Absage.

Taubert bekräftigte, dass die sogenannte Schuldenbremse auch weiterhin Grundlage ihrer Arbeit sei. Tiefensee hatte zuvor eine Lockerung der Schuldenbremse ins Spiel gebracht, damit Kredite nicht in jedem Fall binnen fünf Jahren, sondern auch über einen längeren Zeitraum zurückgezahlt werden können.

Der Präsident des Thüringer Rechnungshofes, Sebastian Dette, warnte am Dienstag davor, kommende Generationen zu stark mit den Schulden von heute zu belasten. "Das Jahr 2019 markiert das Ende eines zehnjährigen Konjunkturhochs", erklärte Rechnungshofpräsident Dette. Zwar sei die Rücklage des Landes in den vergangenen Jahren auf 1,8 Milliarden Euro gewachsen. Doch was zunächst als "komfortables Finanzpolster" schien, werde aktuell für die Bewältigung der Krise kaum ausreichen. Es zeichne sich ab, dass Schulden nötig seien. "Die finanzwirtschaftlichen Spielräume der künftigen Haushalte werden damit deutlich spürbar eingeschränkt."

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