Süddeutsche Zeitung

Finanzbranche:Fressen und gefressen werden

Die Deutsche Bank will in Fusionsgesprächen mit der Commerzbank dominieren.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Alles wirkt bislang so, als führten Deutsche Bank und Commerzbank Gespräche auf Augenhöhe: Partnerschaftlich, freundlich, ergebnisoffen. Entsprechend vage blieben Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und sein Kollege Martin Zielke in ihren Informationsschreiben an die Mitarbeiter, als die Geldhäuser ihre Fusionsverhandlungen am 17. März offiziell verkündeten. Von einem "Zusammenschluss" war zu lesen, von einer "Transaktion" oder der "Prüfung strategischer Optionen". Ein Wort aber tauchte nicht auf: Übernahme - schließlich hätte allein diese Formulierung bei den Mitarbeitern der Commerzbank wohl noch größere Unruhe ausgelöst als es ohnehin schon der Fall ist.

Hinter vorgehaltener Hand aber betont ein Deutsche-Bank-Insider nun, dass es sich genau darum handelte. Die Deutsche Bank beanspruche eine Führungsrolle, es laufe auf eine Übernahme hinaus, sagte der Insider. Eine andere mit der Sache vertraute Person sagte, die Commerzbank mit ihren 49 000 Mitarbeitern werde wohl mittelfristig komplett verschwinden - ähnlich wie die Dresdner Bank, die 2009 von der Commerzbank übernommen worden war.

Bei den "Gelben" dürfte sich dieses Szenario längst herumgesprochen haben. Zwar ist die Deutsche Bank an der Börse gemessen am Eigenkapital etwas schlechter bewertet als die Commerzbank. Absolut aber ist die Deutsche Bank mit knapp 16 Milliarden Euro fast doppelt so viel wert wie der kleinere Konkurrent. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Deutsche Bank daraus einen Führungsanspruch ableitet. Der Betriebsrat der Commerzbank jedenfalls ist in Aufruhr. "Treffen Sie verantwortungsvolle Entscheidungen für die Zukunft unserer Commerzbank und nehmen Sie Abstand von diesem Vorhaben", forderte der Gesamtbetriebsrat am Mittwoch in einem Brief an den Vorstand. Seit Beginn der Sondierungen seien die Refinanzierungskosten der Commerzbank gestiegen, Kunden würden der Bank "erbost" den Rücken zukehren wollen. Es sei an der Zeit, den Schaden zu begrenzen. Auch die Arbeitnehmervertreter der Deutschen Bank lehnen eine Fusion ab.

Mit den Aktienkursen der beiden Institute ging es am Mittwoch dennoch deutlich aufwärts, was jedoch nicht an den Fusionsgesprächen lag. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge denkt die Europäische Zentralbank darüber nach, die Strafzinsen auf Einlagen von 0,4 Prozent zu staffeln. Banken in der Eurozone müssen diesen Zins bezahlen, wenn sie bei der EZB Geld parken. Die Zentralbank wollte dadurch die Kreditvergabe anregen. Nun aber sollen diese Belastungen für die Banken offenbar abgemildert werden. Die Papiere der Deutschen Bank gewannen bis zum Handelsschluss 2,9 Prozent; die der Commerzbank stiegen um knapp fünf Prozent.

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SZ vom 28.03.2019
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