Finanzbranche:Die Fintech-Hauptstadt

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Fintechs nutzen die neuen Möglichkeiten des Internet. (Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Deutschlands größte Finanz-Start-ups sitzen bereits seit Jahren in München. Nun folgt auch noch ein Inkubator - der zweite der Branche.

Von Heinz-Roger Dohms, Hamburg

Als Reinhard Tahedl seine neue Firma gründen wollte, da musste er über eine Sache gar nicht lange nachdenken: den Standort. Seine alte Firma saß ohnehin in München. Und darüber hinaus lebt der gebürtige Niederbayer auch privat seit vielen Jahren in der Stadt. Vor allem aber: "Ich sehe nicht, dass München irgendeinen Nachteil gegenüber anderen Standorten wie beispielsweise Berlin hätte. Eher im Gegenteil."

Tahedls neue Firma, die an diesem Donnerstag an den Start geht, heißt Finconomy. Dabei handelt es sich um einen Inkubator, also um ein Unternehmen, dessen Geschäftszweck darin besteht, weitere Unternehmen zu gründen. Das Feld, in dem sich Tahedl tummeln will, ist eng umrissen. Es geht um sogenannte Fintechs - und zwar speziell um solche, die technologische Services für andere Finanzdienstleister wie Banken, Versicherer, Finanzvertriebe oder Vermögensverwalter anbieten. "Finanz-Start-ups, die den direkten Zugang zum Endkunden suchen, haben wir hierzulande mittlerweile viele. Dagegen gibt es im B2B-Geschäft immer noch sehr großes Potenzial", sagt Tahedl.

Er begibt sich damit in direkte Konkurrenz zum bislang einzigen deutschen Fintech-Inkubator, dem Berliner Unternehmen Finleap. Daraus sind seit Ende 2014 insgesamt 13 Finanz-Gründer hervorgegangen, darunter die Solarisbank oder der Versicherer Element. Doch darüber hinaus lenkt der Start von Finconomy den Fokus auch auf die Frage, ob Berlin die deutsche Fintech-Hauptstadt ist, wie immer behauptet wird. Und dass sich München allenfalls mit Frankfurt oder Hamburg um Platz zwei streiten darf.

Was unbestritten ist: Seit Beginn der Fintech-Welle, also vor etwa fünf Jahren, siedeln sich die meisten Finanz-Start-ups in Berlin an. Nicht nur die Solarisbank und Element sitzen hier, sondern auch die Smartphone-Bank N26, der Einlagenvermittler Weltsparen oder Kreditmarktplätze wie Lendico und Funding Circle. Dem hat München eigentlich nur den rasant wachsenden digitalen Vermögensverwalter Scalable Capital entgegenzusetzen. Gleichwohl: Wer den Blick ein wenig weitet, der erkennt, dass es zu Zeiten der New Economy in Deutschland schon einmal eine Fintech-Welle gab, auch wenn der Begriff als solcher damals noch fehlte. Aus einigen der damaligen Start-ups sind inzwischen große Finanzunternehmen geworden. Und mit ein, zwei Ausnahmen sitzen sie alle - in München.

Das vielleicht beste Beispiel ist das Vergleichsportal Check24, dessen Erträge in erster Linie aus der Vermittlung von KfZ-Versicherungen und anderen Finanzprodukten stammen. Experten schätzen den Wert des nicht-börsennotierten Unternehmens auf mittlerweile deutlich mehr als eine Milliarde Euro - im angelsächsischen Sprachraum werden solche Firmen ehrfurchtsvoll Unicorns genannt. Zu den Einhörnern dürfte auch ein weiteres Münchner Unternehmen zählen, nämlich der Baugeldvermittler Interhyp. Noch mal eine andere Nummer ist der am Rande Münchens beheimatete Zahlungsdienstleister Wirecard. Dessen Bilanzierungspraktiken werfen zwar immer wieder Fragen auf. Die Investoren schert das aber kaum. Wirecard kommt inzwischen auf eine Marktkapitalisierung von rund zehn Milliarden Euro und reift damit zum ernsthaften Dax-Kandidaten.

Es gibt noch weitere Beispiele für erfolgreiche frühe Münchner Fintechs - etwa die Fidor-Bank, die vergangenes Jahr an die französische Großbank BPCE ging, oder der Payment-Spezialist Pay.on, der 2015 für angeblich rund 200 Millionen Dollar in die USA verkauft wurde. Die Gründe für die ungewöhnliche Häufung? "Für München spricht der Pool an smarten Leuten an den Universitäten sowie die hohe Dichte an Dax-Konzernen, großen Mittelständlern und internationalen Technologie-Unternehmen", meint Interhyp-Gründer Robert Haselsteiner. Scalable-Chef Erik Podzuweit ergänzt: "Die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert hier sehr gut. Besonders die Münchner Bundesbank-Dependance ist sehr hilfsbereit und unterstützt die Ansiedlung neuer Finanzinstitute in Bayern." Und sonst? Natürlich spielt auch der Zufall eine Rolle - so haben fast alle erfolgreichen Münchner Fintech-Gründer einen persönlichen Bezug zur Stadt. Und Finconomy-Gründer Tahedl meint: "München ist nicht nur für Gründer maximal lebenswert."

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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