Finanzaufsicht ermittelt:Gesamter WestLB-Vorstand vor dem Aus

Die Finanzaufsicht wirft dem WestLB-Management gravierende Fehler bei der Risikokontrolle vor. Mitten in der Urlaubszeit wurde nun deswegen der Aufsichtsrat zusammengetrommelt. Offenbar steht der gesamte Vorstand zur Disposition. Auch Vorstandschef Thomas Fischer kann sich nicht sicher fühlen.

Der gesamte Vorstand der WestLB steht laut mehreren Medienberichten wegen der Affäre um millionenschwere Verluste aus dem Eigenhandel offenbar vor dem Aus.

Bei einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats könne es deswegen für Vorstandschef Thomas Fischer und seine Kollegen "eng werden", berichtete die Rheinische Post vorab unter Berufung auf Informationen aus dem Umfeld der Düsseldorfer Bank. Dem Vernehmen nach soll die Bankenaufsicht BaFin das außerplanmäßige Treffen des Kontrollgremiums mitten in der Urlaubszeit veranlasst haben.

Dem Vorstand werde demnach vorgeworfen, dem Aufsichtsrat in einem Bericht im Juni 2006 Risiken im Eigenhandel falsch dargestellt zu haben. Dem Vernehmen nach könne Fischer mit sofortiger Wirkung abberufen werden.

Rasche Neubesetzung

Die Neubesetzung des Vorstands solle binnen 14 Tagen über die Bühne gehen. Die Zeitung zitierte aus einer Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die im Auftrag der Finanzaufsichtsbehörde BaFin an einem Sonderprüfungsbericht zu den Vorfällen arbeite.

Demnach seien bei der WestLB "elementare Informationspflichten" nicht befolgt worden. Aufsichtsratschef Rolf Gerlach hat laut Zeitung den Teilbericht der KPMG seit Freitag auf dem Tisch und ist seit dem Wochenende nach einem Gespräch mit BaFin-Präsident Jochen Sanio auf der Suche nach geeigneten Nachfolgern für den Vorstand.

Millionenverluste

Aus den Geschäften mit Aktien von BMW, VW und Metro habe die Bank bereits Verluste von 243 Millionen Euro bestätigt, nach Angaben aus Branchenkreisen könne der Verlust allerdings auch 400 Millionen bis 500 Millionen Euro erreichen, berichtete die Zeitung.

Früheren Presseberichten zufolge sollen Börsenhändler der WestLB jahrelang die Schlusskurse der Aktien manipuliert haben, um so auf dem Papier hohe Gewinne zugunsten der Bank zu erzielen und damit ihre Bonuszahlungen zu sichern.

Auch nach Informationen von Focus online stellte die BaFin gravierende Managementfehler bei ihren Untersuchungen fest.

Bericht noch nicht abgeschlossen

Die BaFin nimmt die verlustreichen Fehlspekulationen im sogenannten Eigenhandel der WestLB, also dem Handel von Wertpapieren auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, unter die Lupe. Ein BaFin-Sprecher verwies am Dienstag in Bonn darauf, dass der Bericht zu den Aktiengeschäften der WestLB noch nicht abgeschlossen sei. Das werde voraussichtlich im August oder Anfang September geschehen.

Die WestLB hatte die Verluste zuletzt auf insgesamt 243 Millionen Euro beziffert, die im ersten und zweiten Quartal 2007 verbucht würden. Die Bank führte von dieser Summe 70 Millionen Euro auf Fehlspekulationen und Regelverstöße ehemaliger Aktienhändler zurück.

Die anderen 173 Millionen Euro seien durch den Verkauf von Wertpapierpositionen entstanden, nachdem Handelsstrategien aus der Bank heraus an die Öffentlichkeit gelangt seien.

Weitere Verluste werden nicht ausgeschlossen

Die Bank hatte außerdem bereits vor Wochen angekündigte, weitere Positionen im Eigenhandel schrittweise abbauen zu wollen. Weitere Verluste waren aus diesem Grund im Umfeld der Bank nicht ausgeschlossen worden.

Eigentümer der WestLB sind die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen, das Land Nordrhein-Westfalen und kommunale Landschaftsverbände.

Gerlach war zu einer Stellungnahme am Dienstag nicht zu erreichen. Die WestLB wollte sich nicht äußern. Im NRW-Finanzministerium hieß es zum Bericht: "Mit den Vorgängen um die WestLB beschäftigen sich die zuständigen Gremien. Danach wird die Öffentlichkeit informiert", sagte eine Ministeriumssprecherin.

Wegen des Spekulationsskandals waren bereits zwei Wertpapierhändler entlassen worden. Kürzlich hatte zudem der Vorstand Robert Stein überraschend seinen Abschied verkündet. Allerdings sollte dieser Abgang nichts mit den Fehlspekulationen der Bank zu tun haben.

Situation unübersichtlich

Allerdings war die Situation am Dienstag unübersichtlich. Im Kern geht es wohl um die Frage, ob der Vorstand den Aufsichtsrat rechtzeitig über die Geschehnisse im Eigenhandel der Bank informiert hat.

Heikel ist dies für Thomas Fischer, nicht zuletzt weil er einst zu der Bank geholt wurde, um deren marodes Risikosystem auf Vordermann zu bringen, nachdem die WestLB durch Milliardenverluste an den Abgrund geraten war. Fischer gilt bislang als der Retter der Bank. Deswegen wäre ein Fehlverhalten des Bankchefs ein Desaster. Über die jetzigen Geschehnisse kursierten am Dienstag allerdings unterschiedliche Versionen in Kreisen der WestLB.

Der Vorstand habe den Aufsichtsrat zu spät informiert und sei deswegen in die Schusslinie der Finanzaufsicht geraten, sagen diejenigen, die Fischers Position als Vorstandschef als gefährdet einstufen.

Die andere Version

"Alles Quatsch", lautet die andere Version. Demnach habe der Vorstand den Aufsichtsrat informiert, insbesondere den Aufsichtsratschef Rolf Gerlach. Vielmehr wolle die Finanzaufsicht wie schon bei der Frankfurter Sparkasse ein übertriebenes Exempel statuieren. Für Aufklärung sorgen könnte Gerlach, der redete aber nicht. Offiziell gab es ohnehin eine Mauer des Schweigens.

"Kein Kommentar", hieß es sowohl bei der WestLB, beim Lippischen Sparkassenverband als auch der Finanzaufsicht. Eine Sprecherin der Landesregierung sagte: "Alle Vorgänge bezüglich der WestLB sind grundsätzlich zunächst Angelegenheit der Gremien, bevor die Öffentlichkeit informiert wird."

WestLB stellte Strafanzeige

Die WestLB hatte selbst Strafanzeige gestellt und die Finanzaufsicht eingeschaltet. Sie wirft den beteiligten Händlern Verstöße gegen interne Regeln vor. Fischer sprach zuletzt sogar von "Sabotage" und äußerte den Verdacht, bei den Spekulationen habe es sich möglicherweise um "kriminelles Verhalten" gehandelt.

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) sprach davon, dass an den Fehlspekulationen möglicherweise Helfer außerhalb der Bank beteiligt gewesen seien. Erst vor wenigen Tagen hatte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mehrere Geschäftsräume der Wertpapierhandelsbank Lang & Schwarz sowie Privaträume von zwei ehemaligen Mitarbeitern der WestLB durchsucht.

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