Süddeutsche Zeitung

Finanzaufsicht:Drei auf einen Streich

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Nicht nur Italiens Banken haben Probleme, auch bei den Instituten in Deutschland und Frankreich liegt bekanntlich vieles im Argen. Die Aufseher prüfen daher nun die Handelsbücher dreier großer Geldhäuser.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Es ging schon mal harmonischer zu zwischen Nord- und Südländern in Europa. Wahlweise haut man sich in diesen Wochen gegenseitig Besserwisserei (den Deutschen), Schnorrertum (den Italienern) oder noch ganz andere Sachen um die Ohren. Gerade in sozialen Medien geht es dazu oft hoch her. Inzwischen spiegeln sich die Reibereien sogar im Aufsichtsrat der Europäischen Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Das oberste Gremium unter Führung der Französin Danièle Nouy, darunter Finanzaufseher aus 19 Euro-Staaten, entscheidet alle 14 Tage über ein Potpourri von Maßnahmen. Häufig sind die italienischen Banken Thema. Sie leiden - wie andere südeuropäischen Institute - unter einem Berg von faulen Krediten. Tut doch was, müssen sich die italienischen Kollegen anhören. Tut ihr doch was, kontern die Südeuropäer.

Die Banken im Norden haben nämlich ebenfalls ihre Schwachpunkte, weniger im Kreditbereich als im Investmentbanking, wo zum Teil sehr riskante Wertpapiere gehandelt werden. Gerade der hiesige Bankenmarkt mit der Deutschen Bank im Zentrum gilt strukturell als bemerkenswert schwach, und das obwohl Deutschlands Wirtschaft seit Jahren brummt. In italienischen Finanzkreisen dürfte es daher mit Genugtuung aufgenommen worden sein, dass die EZB nun erstmals gleichzeitig drei Großbanken aus Deutschland und Frankreich auf ihre Handelsgeschäfte abklopft. Schließlich heißt es in den sozialen Netzwerken in Italien immer wieder, der eigentliche Patient Europas sei Deutschland mit der Deutschen Bank. Verwiesen wird dann gerne auf die Derivaterisiken des größten deutschen Geldhauses.

Die EZB-Aufsicht will da nun offenbar nicht untätig wirken. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung prüfen die Bankenaufseher daher bereits seit Monaten die riesigen Handelsbücher von BNP Paribas, Société Générale und eben der Deutschen Bank. Weder die EZB noch die betroffenen Geldhäuser wollten sich dazu äußern. Die EZB hatte die Handelsbücher zwar bereits mehrfach in Stresstests untersucht. Während es damals darum ging, zu untersuchen, welche Folgen etwa starke Währungsschwankungen oder ein Einbruch der Wirtschaft oder der Aktienmärkte auf eine Bank haben, geht es nun um die bilanzielle Preissetzung der Wertpapiere.

Konkret möchten sich die Aufseher ein genaueres Bild davon machen, wie die Banken ihre Anleihen, Aktien und Derivate bewerten. Derivate sind Finanzprodukte, deren Preisentwicklung vom Preis anderer Finanzprodukte abhängt, zum Beispiel von Aktien oder Rohstoffen. Mit Derivaten können sich Fluglinien oder Autohersteller gegen Preisschwankungen absichern. Sie laden aber auch zum Zocken ein. Kreditderivate gehörten zu den Auslösern der Finanzkrise. Die Finanzprofis bei den Banken haben ein Interesse daran, diese Risiken klein zu rechnen, um weniger Eigenkapital zur Absicherung gegen eine Schieflage vorhalten müssen. Dieses Schönrechnen möglicher Risiken will die EZB unterbinden.

In Italien sind viele der Meinung, das eigentliche Systemrisiko gehe von der Deutschen Bank aus

Durch den direkten Vergleich der drei Institute möchten die Aufseher darüber hinaus ihren Blick auf die gesamte europäische Bankenlandschaft schärfen und am Ende einheitliche Standards ableiten. Gerade bei der Bewertung von Derivaten sind die Spielräume sehr groß, da die Banken bei der Berechnung mit vielen Annahmen arbeiten. Die Deutsche Bank verfügt zudem - gemessen an ihrer Größe - nach wie vor über einen sagenhaft großen Derivatebestand, durch den sie weltweit mit anderen Banken vernetzt ist. Sie gilt daher zwangsläufig als großes Systemrisiko.

Ein besonderes Problem sind Wertpapiere, die an den Märkten selten gehandelt werden, und für die es daher keinen leicht zu ermittelnden Marktpreis gibt. Diese so genannten "Level-3-Papiere" schauen sich die Aufseher nun noch genauer an. Allerdings: Laut EZB sind die Risiken aus solchen Papieren zuletzt merklich gesunken. Kurz nach der Finanzkrise galten sie noch als enormes Problem, allen voran für die Deutsche Bank. Die großen Banken hätten inzwischen aber "nur" noch 132 Milliarden Euro an solchen Wertpapieren in der Bilanz, schrieb EZB-Aufsichtschefin Nouy im Mai an den italienischen EU-Parlamentarier Marco Zanni, der eine entsprechende Anfrage gestellt hatte. Das klingt nach viel, macht aber nur noch knapp ein Prozent der gesamten Bilanzsumme der untersuchten Banken aus. Vor drei Jahren waren es noch 188 Milliarden Euro. Zum großen Teil stammten die Papiere aus dem Kundengeschäft, erläuterte Nouy, etwa wenn sich Unternehmen gegen Preisschwankungen absichern wollten. Das Risiko sei zudem anders gelagert als bei den faulen Krediten, unter denen Italiens Banken leiden. Die Level-3-Papiere seien nicht zwingend ausfallgefährdet, so Nouy. Bei der Deutschen Bank ist der Bestand der besagten Papiere laut einer Präsentation von 88 Milliarden im Jahr 2007 auf derzeit 22 Milliarden Euro gesunken.

Den Besuch der Kontrolleure ist man bei der Deutschen Bank jedenfalls gewohnt. Erst unlängst gaben die Aufseher dem Geldhaus sogar den Auftrag, durchzuspielen, was es kosten würde, das Handelsgeschäft gleich ganz abzuwickeln. Die Aufseher wollten wissen, wie sich der Wert des Kapitalmarktgeschäfts entwickeln würde, wenn sie als solvente Bank ein abruptes Ende des Neugeschäfts simuliert. Die Bank steckt nun mitten drin in den komplizierten Berechnungen, deren Abschluss noch einige Zeit dauern wird. Eines wollen sich die Aufseher nicht vorwerfen lassen: irgendetwas übersehen zu haben.

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SZ vom 13.06.2018
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