Dass Investmentbanker Wechselkurse manipuliert haben sollen, um sich Geld in die eigenen Taschen zu schaufeln, ist schon schlimm genug. Doch nun könnte die Affäre um die Manipulationen am Devisenmarkt eine neue Dimension bekommen: Die britische Notenbank hat einen Mitarbeiter nach einer internen Untersuchung freigestellt. Es werde geprüft, ob sich der Angestellte an die "strengen internen Kontrollregeln" gehalten habe, teilte die Bank of England (BoE) in London mit.
Im Raum steht, dass die Notenbank schon seit Jahren von den Manipulationen gewusst hat und dass Mitarbeiter in die Affäre verwickelt sein könnten. Erhärtet sich dieser Verdacht, würde es das Vertrauen in zuvor nicht gekanntem Ausmaß erschüttern: Denn Zentralbanken sind das Herz des Geldkreislaufs, sie wachen über die Währung und das reibungslose Funktionieren des Finanzsystems. In vielen Ländern obliegt ihnen sogar die Bankenaufsicht. Auch in Großbritannien ist die Notenbank als Regulator für Finanzstabilität zuständig, die laufende Bankenaufsicht hat die Finanzbehörde FCA - und diese ermittelt zu den Manipulationen am Devisenmarkt.
Weltweit 20 Händler suspendiert
Bisher standen die Händler von Großbanken im Fokus der Ermittlungen von Behörden. Weltweit wurden bereits mehr als 20 Händler suspendiert; erst an diesem Donnerstag schickte die Bank of America ihren Chef des Devisen-Spothandels für Europa, den Nahen Osten und Afrika in Zwangsurlaub, wie ein Insider sagte. Einem Zeitungsbericht zufolge suspendierte auch die französische Großbank BNP Paribas einen hochrangigen Devisenhändler. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie sich unter anderem in Chatrooms mit so schillernden Namen wie "Das Kartell" oder "Der Banditenclub" abgesprochen haben sollen, um Wechselkurse in eine von ihnen liebsame Richtung zu treiben.
Dass nun auch die Notenbank in den Ermittlungen eine Rolle spielt, hat mit einem Gremium zu tun, das die Bank of England etabliert hat: dem "London Foreign Exchange Joint Standing Committee", genauer gesagt einer ihrer Subgruppen, der "Chief Dealers' Subgroup", einem Ausschuss für die Chefhändler also. Ursprünglich war das Gremium ins Leben gerufen worden, damit sich die Notenbank besser über Vorgänge am Markt informieren kann, es sollte dem Meinungsaustausch dienen.
Diesen Zweck hat das Gremium möglicherweise besser erfüllt, als es den Erfindern lieb sein kann: In Finanzkreisen wird darüber spekuliert, ob die betreffenden Händler die Bank of England als Plattform für ihre Absprachen benutzt haben könnten. Denn auffälligerweise wurden gleich mehrere Händler von Geschäftsbanken suspendiert, die Teilnehmer dieser Subgruppe waren - etwa von Citi, UBS oder JP Morgan. Überraschenderweise saß in dem Gremium jedoch kein Händler der Deutschen Bank - obwohl das Institut der größte Spieler weltweit am Devisenmarkt ist. Täglich werden an den Finanzmärkten 5,3 Billionen US-Dollar umgewälzt, die Deutsche Bank hat Schätzungen zufolge einen Marktanteil von 12 bis 15 Prozent. Deswegen ist das Institut auch unter jenen, die von Behörden rund um den Globus unter die Lupe genommen werden. Die Bank will zu den Details der Ermittlungen keine Auskunft geben, versichert aber, dass man mit den Behörden zusammenarbeite.
Das wird auch die UBS tun. Sie hat einen ähnlich hohen Marktanteil wie die Deutsche Bank und bereits einen Chefhändler suspendiert, der in der Chief Dealers' Subgroup saß. Gerüchten zufolge soll die Bank in einem potenziellen Verfahren eine Kronzeugenregelung anstreben. Das hatte UBS-Verwaltungsratschef Axel Weber schon in der Affäre um Manipulationen beim Zinssatz Libor mit Erfolg gemacht: Die UBS ging in Brüssel dabei straffrei aus.
Besondere Aufmerksamkeit werden die Ermittler jenen Protokollen des Devisenhändlergremiums zuwenden, die von der Bank of England in dieser Woche veröffentlicht wurden. Es geht dabei um mehrere Sitzungen zwischen 2005 und 2013, die teils von dem Bank-of-England-Mitarbeiter Martin Mallett geleitet wurde. Demzufolge sprachen die Mitglieder über Hinweise auf Unregelmäßigkeiten am Devisenmarkt. Die Erkenntnisse werfen die Frage auf, inwieweit die Bank of England den Hinweisen schon damals hätte nachgehen müssen, Jahre bevor die Behörden ihre Ermittlungen einleiteten.
Die Frage, wie eng Zentralbanker mit Devisenhändlern zusammengearbeitet haben, müssen sich auch andere Zentralbanken stellen. So hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) eine "Foreign Exchange Contact Group". Hinweise, dass es hier zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte, gibt es derzeit nicht. Die EZB wollte nicht kommentieren, ob sie die Aktivitäten der Gruppe im Zusammenhang mit den internationalen Ermittlungen überprüft. Anders als bei der Bank of England gibt es das Gremium allerdings noch. In London traf sich die Gruppe zum letzten Mal im Februar 2013. Warum die Treffen gestoppt wurden, dazu schweigt die Bank of England.