Fiat, Opel, Chrysler:Sergios Resterampe

Fiat-Chef Sergio Marchionne liebäugelt gleichzeitig mit Chrysler und Opel. Er spielt dabei die Verzweifelten gegeneinander aus.

Carsten Matthäus und Melanie Ahlemeier

Es ist eine beliebte Praxis von Unternehmenschefs, wenig zu sagen und viel zu meinen. Wenn sie kurz vor einer Übernahme stehen, reden sie von "völlig unverbindlichen Gesprächen". Wenn bereits Kolonnen von Beratern über den Büchern eines möglichen Partners brüten, sagt der Chef, es gäbe bisher "noch keine persönlichen Gespräche".

Fiat 500, Foto: dpa

Fiat 500, Baujahr 1957: Genug Platz für Chrysler und Opel?

(Foto: Foto: dpa)

Hermetisch abgeriegelt

Das hört sich immer etwas seltsam an, weil die Chefs großer Unternehmen so den Eindruck erwecken wollen, sie seien ständig in hermetisch abgeriegelten Funkloch-Korridoren unterwegs. Sich derart aus dem Weg zu gehen, nicht persönlich miteinander zu reden, ist insbesondere in der Autoindustrie mit ihren vielen internationalen Messen, Preisverleihungen, Jobgipfeln und Podiumsdiskussionen schlicht unmöglich.

Nun will also Fiat-Chef Sergio Marchionne ernsthaft behaupten: "Wir haben keine direkten Gespräche mit Opel." Das ist schon deshalb verwunderlich, weil Unternehmensberater Roland Berger im Aufsichtsrat von Fiat sitzt und gleichzeitig die Bundesregierung in Sachen Opel-Rettung unterstützt. Marchionne und Berger werden ganz sicher zeitweise die Nummern ihrer Handys verlegt haben. Oder man bezeichnet die Gespräche deshalb als nicht "direkt", weil der Berater Berger eine Art Hochsicherheits-Telefonvermittlung betreibt, bei der alle miteinander reden können, ohne dass es draußen jemand mitbekommt.

Nehmen wir also für einen Moment das Gegenteil der Nicht-Rede-Beteuerungen an: Alle Chefs von Autokonzernen und alle staatlich bestellten Retter treffen sich in einem Raum und reden. Hier laufen also die Chefs von General Motors verzweifelt durch die Gegend und wollen jedem anderen Konzernboss irgendeine Allianz aufschwatzen. Sie brauchen Geld, Milliarden Dollar, um überhaupt die nächsten Monate noch flüssig zu bleiben. Gleichzeitig bietet der Opel-Chef, flankiert vom deutschen Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sein Unternehmen an wie sauer Bier. Alle die, denen es noch nicht richtig an den Kragen geht - BMW, Daimler, VW, Renault-Nissan, Toyota - winken unter Hinweis auf eigene Probleme höflich ab.

Die billige Konkurrenz

Aber da ist ja noch der Italiener Marchionne, der seinen Autokonzern gerade mal mit viel Staatshilfe und ein paar erfolgreichen Modellen aus der gröbsten Krise geholt hat. Verluste schreibt sein Unternehmen zwar auch. Marchionne jedoch hat die Zeichen der Zeit erkannt: Nie waren Konkurrenten so billig zu haben wie jetzt. Und sofort bildet sich eine Traube um den einzigen Mann im Raum, der in der Krise Geld ausgeben will. Die Chefs von Chrysler und Opel überbieten sich in Zusagen. Kaufpreis? Billigst! Mehr Staatshilfen? Kein Problem! Arbeitsplatzabbau? Natürlich, gerne!

Die Verhandlungsstrategie des Fiat-Chefs macht nur Sinn, um zwei Ziele möglichst billig zu erreichen: Eine stärkere Präsenz auf lukrativen Märkten und geringere Produktionskosten. Eine Allianz mit Chrysler würde es vor allem ermöglichen, die Marken Fiat und Alfa Romeo besser auf dem US-Markt - neben China immer noch der größte der Welt - zu etablieren. In Hinblick auf die Kosten ist Chrysler für Fiat eher eine Gefahr. Ein Zusammengehen mit Opel wäre dagegen vor allem wegen der Einsparungen attraktiv, die sich aus der gemeinsamen Massenproduktion ergeben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum der Billigkäufer Fiat nicht sofort einsteigen kann.

Mitspieler aus Österreich und Russland

Im Falle Chrysler muss Marchionne den Preis noch weiter drücken. Hier hat er das Rad offenbar gerade überdreht. Die Auto-Task-Force der US-Regierung will den angeschlagenen Autohersteller - US-Medienberichten zufolge - lieber in die Insolvenz schicken, als sich Fiats Forderungen zu beugen. Probleme bereiten vor allem die Gläubiger, die nicht freiwillig auf Milliarden-Forderungen an Chrysler verzichten wollen und die Gewerkschaften, die um jeden Arbeitsplatz und jeden Dollar Pensionsanspruch erbittert kämpfen. Solange die Amerikaner also noch nicht verzweifelt genug sind, kommt der Billigkäufer Fiat nicht zum Zug. Das ist für Marchionne aber kein Problem, ein durch ein Insolvenzverfahren geläutertes Unternehmen könnte er später immer noch übernehmen.

Fiat, Opel, Chrysler: Keep cool: Fiat-Chef Sergio Marchionne und der neue Fiat 500.

Keep cool: Fiat-Chef Sergio Marchionne und der neue Fiat 500.

(Foto: Foto: AP)

Beim Sonderangebot Opel geht es ebenfalls um knallhartes Kostendrücken. Der Käufer dieses Unternehmens kann fürstliche Staatshilfen europäischer Länder in Höhe von vier Milliarden Euro kassieren. Außerdem würde eine italienisch-deutsche Allianz Experten zufolge jedes Jahr massive Synergien erzeugen. Nach Berechnungen von Bernstein Research würde der Opel-Deal Fiat jedes Jahr 1,2 Milliarden Euro mehr an Synergien bringen als eine Allianz mit Chrysler. Synergie heißt aber in der jetzigen Krisensituation vor allem eines: Einsparungen an Personal- und Maschinenkapazität, oder anders gesagt den massiven Abbau von Arbeitsplätzen.

So lässt Fiat-Chef Marchionne seelenruhig die beiden verzweifelten Verkaufs-Kandidaten gegeneinander antreten. Nach dem Motto "Wer bietet mehr?" wird er so lange warten, bis eines von beiden Angeboten konkurrenzlos billig geworden ist oder bis eine Regierung so viel Geld in den Deal pumpt, dass Fiat schon damit den eigenen Laden in Ordnung bringen kann.

Internationales Trio

Glücklicherweise ist Marchionne nicht der Einzige, der Interesse an Opel hat. Es ist noch ein anderes plausibles Bündnis vorstellbar. Der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna hat ebenfalls Interesse an Opel bekundet, und im Gespräch ist auch der russische Autohersteller Gaz. Der hat zwar kurz sein Interesse dementiert, dennoch sind sich Marktbeobachter sicher: Käme es zum neuen Zusammenschluss Opel-Magna-Gaz, würden alle drei Beteiligten profitieren.

Der Zulieferer Magna würde sich seinen eigenen Abnehmer sichern, der russische Hersteller Gaz erhielte die so dringend gesuchte neue Technologie aus dem Forschungszentrum Rüsselsheim - und Opel wäre gerettet. Zugleich könnte sich Magna einen schon lange gehegten Traum erfüllen: die Expansion gen Osten. Der russische Automarkt ist zwar noch nicht der größte, aber ob des großen Nachholbedarfs sehr wachstumsstark. Außerdem wird seit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) kein Geheimnis mehr daraus gemacht, dass deutsche und russische Firmen- und Staatslenker häufig und direkt miteinander reden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: