Mit Diplomatie hat dieses Schreiben wenig zu tun. Nach kurzen Höflichkeitsfloskeln kommt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schnell zur Sache: Im Streit mit dem italienischen Fiat-Konzern um unerlaubte Abgastricks fordert Dobrindt die EU-Kommission zum Handeln auf. "Deutschland bleibt, auch im Lichte der Ergebnisse der Überprüfungen der italienischen Genehmigungsbehörde, bei seiner Auffassung, dass bei den Fahrzeugen des Herstellers Fiat-Chrysler unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden", schreibt der deutsche Minister vor wenigen Tagen an EU-Binnenmarkt-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska.
Der Brief liegt Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR vor. Die Kommission müsse jetzt ihrer Rolle als Hüterin der Verträge nachkommen, fordert Dobrindt darin. Neben Leitlinien für die Anwendung von Abschalteinrichtungen und Emissionsstrategien solle Brüssel auch auf eine entsprechende Gesetzesänderung hinwirken. Es geht demnach also auch um strengere Abgasvorschriften.
Der Ärger in Berlin sitzt offenbar tief. Die Bundesregierung habe bei VW ohne Zögern aufgeklärt. Die EU müsse nun allen Hinweisen nachgehen, "wobei es keine Differenzierungen zwischen den Fahrzeugherstellern geben darf", heißt es in dem Papier weiter. Schon Ende August war durchgesickert: Die deutsche Untersuchungskommission zur Abgasaffäre ist überzeugt, dass auch bei vier Typen des italienischen Autobauers technische Auffälligkeiten vorhanden sind.
Sie lassen darauf schließen, dass der Wagen merkt, wenn er gerade einen Testzyklus durchläuft und demnach stärker das Abgas reinigt, dieses also vorübergehend sauberer ist als im alltäglichen Straßenverkehr. Tatsächlich sollen unter wirklichen Fahrbedingungen neun bis 15 Mal mehr giftige Stickoxide aus dem Auspuff der Fiat-Dieselautos kommen als bei den Zulassungstests auf dem Prüfstand. Da sind die deutschen Experten überzeugt. In Italien weist man dies bislang zurück.
Weil die auffälligen Fahrzeugtypen jedoch nicht in Deutschland, sondern in Italien geprüft und zugelassen worden sind, kann das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) derzeit keine Maßnahmen gegen den Konzern Fiat Chrysler Automobiles (FCA) unternehmen. Das EU-Recht sieht vor, dass nur derjenige Sanktionen verhängen und Zulassungen entziehen kann, der sie erteilt hat. Im Fall Fiat wäre das also Italien. Doch Rom zeigt wenig Interesse. Ein rechtlicher Ausweg, den das EU-Recht böte, wenn Gesundheit oder Umwelt in Gefahr sind, kann in Deutschland nicht beschritten werden, weil die entsprechende EU-Richtlinie nur unvollständig in nationales Recht umgesetzt worden ist.